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Alibi

Alibi

Titel: Alibi
Autoren: Agatha Christie
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hielt einen Augenblick inne und zitierte dann leise: ‹«Die Anforderungen, die an meine Börse gestellt werden, nehmen in der letzten Zeit einen derartigen Umfang an, dass ich Ihrem Ersuchen leider nicht entsprechen kann.› Fällt Ihnen daran nichts Merkwürdiges auf?»
    «Mir nicht», sagte Raymond. «Er diktierte mir oft Briefe, die fast den gleichen Wortlaut hatten.»
    «Sehr richtig», rief Poirot. «Darauf wollte ich hinaus. Würde sich irgendjemand im Gespräch so ausdrücken? Ausgeschlossen, dass dies ein Teil eines wirklichen Gespräches war. Nun, wenn er einen Brief diktiert hätte …»
    «Sie denken, er las den Brief laut vor», sagte Raymond langsam. «Aber wenn, dann hätte er doch einen Zuhörer haben müssen …»
    «Aber weshalb? Wir haben keine Beweise dafür, dass sonst noch jemand im Zimmer war. Erinnern Sie sich, nur Mr. Ackroyds Stimme war vernehmbar.»
    «Es ist kaum anzunehmen, dass er sich selbst einen solchen Brief vorlas … es sei denn, er …»
    «Sie alle vergessen das eine», sagte Poirot sanft. «Den Fremden, der am vergangenen Mittwoch in Fernly vorsprach. Der junge Mann als solcher ist nicht wichtig. Aber die Firma, die er vertrat, interessierte mich sehr.»
    «Die Diktaphon-Gesellschaft», rief Raymond, «jetzt verstehe ich. Ein Diktiergerät. Das meinen Sie?»
    Poirot nickte.
    «Mr. Ackroyd hatte die Absicht, ein Diktiergerät anzuschaffen – erinnern Sie sich nur. Ich war so neugierig, bei der bewussten Firma Erkundigungen einzuziehen. Ihre Antwort lautete, dass Mr. Ackroyd von ihrem Vertreter ein Diktiergerät gekauft hatte. Weshalb er diese Tatsache vor Ihnen geheim hielt, weiß ich nicht.»
    «Er wollte mich vielleicht damit überraschen», flüsterte Raymond. «Es war eine etwas kindliche Leidenschaft von ihm, Überraschungen zu bereiten. Er wollte es wahrscheinlich noch einige Tage bei sich behalten und spielte damit wie mit einem neuen Spielzeug. Sie haben vollkommen recht – niemand würde diese Worte in einem Gespräch verwenden.»
    «Dies erklärt auch», sagte Poirot, «weshalb Major Blunt der Meinung war, dass Sie im Arbeitszimmer seien. Die Worte, die sein Ohr erreichten, waren Bruchstücke eines Diktates, und so schloss er unbewusst, dass Sie bei ihm seien. Sein Sinn war anderweitig beschäftigt – mit jener weißen Gestalt, von der er einen Schimmer erhascht hatte. Er bildete sich ein, es sei Miss Ackroyd gewesen. In Wirklichkeit hatte er natürlich die weiße Schürze von Ursula Bourne leuchten sehen.»
    Raymond hatte sein erstes Staunen überwunden.
    «Nichtsdestoweniger», bemerkte er, «bleibt durch diese Ihre Entdeckung, so glänzend sie auch sein mag, im Wesentlichen die Lage unverändert. Mr. Ackroyd lebte um halb zehn Uhr, da er in das Diktiergerät sprach. Jener Charles Kent war um diese Zeit schon weit weg, während Ralph Paton …»
    Mrs. Paton schoss das Blut ins Gesicht, aber sie antwortete fest. «Ralph und ich trennten uns um drei viertel zehn. Er kam bestimmt dem Haus nicht nahe, ganz bestimmt nicht. Seinem Stiefvater gegenüberzutreten wäre sicher das Letzte gewesen, was er gewünscht hätte.»
    «Ich bezweifle Ihre Angaben nicht einen Augenblick», erklärte Raymond. «Ich war immer von Captain Patons Unschuld überzeugt. Aber man muss an das Gericht denken und an die Fragen, die dort gestellt werden könnten. Er ist in einer äußerst kritischen Lage, doch wenn er erscheinen …»
    Poirot unterbrach ihn.
    «Ist es auch Ihr Wunsch, dass er erscheinen sollte?»
    «Gewiss. Wenn Sie wissen, wo er ist …»
    «Ich sehe, dass Sie mir nicht glauben. Und doch sagte ich Ihnen vorhin, dass ich alles weiß. Die Wahrheit über den Telefonanruf, über die Fußspuren auf dem Fensterbrett, über das Versteck Ralph Patons …»
    «Wo ist er?», fragte Blunt scharf.
    «Nicht sehr weit von hier», entgegnete Poirot lächelnd.
    «In Cranchester?», fragte ich.
    Poirot wandte sich zu mir.
    «Sie fragen immer das Gleiche. Der Gedanke an Cranchester wurde Ihnen zur fixen Idee. Nein, er ist nicht in Cranchester. Er ist … hier!»
    Mit dramatischer Gebärde wies er nach der Tür. Alle Blicke folgten seiner ausgestreckten Hand. Auf der Schwelle stand Ralph Paton.

24
     
    E s war ein recht unbehaglicher Augenblick für mich. Ich erfasste kaum, was zunächst geschah, ich hörte nichts als überraschte Rufe. Als ich wieder so weit Herr meiner selbst war, um zu verstehen, was um mich vorging, sah ich Ralph Paton Hand in Hand mit seiner Frau stehen und mir zulächeln.
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