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Alibi

Alibi

Titel: Alibi
Autoren: Agatha Christie
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nach Ralph. Er war ungeheuer erstaunt. Hatte keine Ahnung, dass der Junge hier ist. Er meinte tatsächlich, ich hätte mich getäuscht. Ich und mich täuschen!»
    «Lächerlich», sagte ich. «Er sollte dich besser kennen.»
    «Weiter teilte er mir mit, dass Ralph und Flora verlobt seien.»
    «Das wusste ich auch», unterbrach ich sie mit leisem Stolz.
    «Woher?»
    «Von unserem neuen Nachbarn.»
    Eine kleine Weile zauderte Caroline. Dann fuhr sie fort: «Ich teilte Mr. Ackroyd mit, dass Ralph in den ‹Three Boars› wohnt.»
    «Caroline», sagte ich, «bedenkst du nie, wie viel Unheil deine unüberlegte und vorlaute Art anrichten kann?»
    «Unsinn», erwiderte sie. «Die Leute sollen es doch wissen. Ich fühle mich verpflichtet, es ihnen mitzuteilen. Mr. Ackroyd war mir außerordentlich dankbar.»
    «Nun, und?», fragte ich, denn das war natürlich nicht alles.
    «Ich glaube, er ging direkt zu den ‹Three Boars›, doch wird er Ralph nicht angetroffen haben.»
    «Nicht?»
    «Nein. Als ich nämlich durch den Wald heimkehrte …»
    «Du kamst durch den Wald zurück?», unterbrach ich sie. Caroline errötete flüchtig.
    «Es war ein so wunderschöner Tag», meinte sie, «da dachte ich, ich könne einen kleinen Spaziergang machen.»
    Caroline liegt zu keiner Zeit des Jahres auch nur das geringste an Wäldern. Gewöhnlich sieht sie in ihnen nur Orte, an denen man nasse Füße bekommt und wo einem allerhand unerfreuliche Dinge auf den Kopf fallen können. Nein, ihr – Instinkt hatte sie in den Wald geführt. Denn dies ist der einzige Ort in der nächsten Umgebung von King’s Abbot, wo man ungestört mit einer jungen Dame plaudern kann, ohne dabei von allen Dorfbewohnern gesehen zu werden. Er grenzt an den Park von Fernly.
    «Nun», bat ich, «erzähle weiter.»
    «Als ich durch den Wald heimkehrte, hörte ich Stimmen.»
    Caroline hielt inne.
    «Ja?»
    «Eine, die von Ralph Paton, erkannte ich sofort. Die andere war eine weibliche Stimme. Natürlich wollte ich nicht lauschen …»
    «Natürlich nicht», unterbrach ich sie mit beißendem Spott, der jedoch eindruckslos an Caroline abglitt.
    «Aber ich konnte nicht verhindern, ihnen zufällig zuzuhören. Das Mädchen sagte etwas, was ich nicht deutlich verstand, und Ralph antwortete. Er schien ärgerlich. ‹Aber›, meinte er, ‹siehst du denn nicht ein, dass mein Alter mich möglicherweise mit einem Pfifferling abspeist? Er hat in den letzten Jahren genug von mir gehabt. Ein wenig mehr bringt ihn vielleicht zum Äußersten, und wir brauchen das Geld doch, mein Kind. Wenn der Alte einmal stirbt, werde ich sehr reich sein. Er tut so, als besäße er nicht viel, aber in Wirklichkeit schwimmt er im Geld. Ich möchte nicht, dass er sein Testament ändert. Überlasse es mir, sorge dich nicht!› Dies waren seine Worte. Ich entsinne mich genau. Unglücklicherweise trat ich dann auf einen dürren Ast oder so etwas Ähnliches, und da senkten sie die Stimmen und entfernten sich. Ich konnte ihnen natürlich nicht nachlaufen, und so weiß ich nicht, wer das Mädchen war.»
    «Wie ärgerlich», sagte ich, «aber wenn ich mich nicht täusche, eiltest du zu den ‹Three Boars›, fühltest dich schwach und gingst in die Wirtsstube, um ein Glas Kognak zu trinken, und warst so in der Lage, festzustellen, ob die beiden Kellnerinnen anwesend waren.»
    «Es war keine Kellnerin», bestätigte Caroline, ohne zu zögern. «Offen gesagt, möchte ich mit Bestimmtheit behaupten, dass es Flora Ackroyd war, nur …»
    «Nur scheint es keinen Sinn zu ergeben», stimmte ich bei. «Doch wenn nicht Flora, wer könnte es sonst gewesen sein?»
    Schnell zählte meine Schwester eine ganze Reihe junger Mädchen aus der Nachbarschaft auf, bei denen allerhand Gründe dafür oder dagegen sprachen.
    Als sie innehielt, um Atem zu schöpfen, murmelte ich etwas von einem Patienten und schlüpfte hinaus. Ich beabsichtigte, zu den ‹Three Boars› zu gehen. Es schien nicht unmöglich, dass Ralph Paton unterdessen heimgekehrt war.
    Ich kannte Ralph sehr genau, besser vielleicht als sonst jemand in King’s Abbot, denn ich war vor seiner Geburt der Arzt seiner Mutter gewesen und verstand daher manches, was den anderen unerklärlich schien. Zwar hatte er nicht den verhängnisvollen Hang zur Trunksucht mitbekommen, doch war er auffallend willensschwach. Wie mein neuer Freund von heute früh bemerkte, war er ein schöner Mann. Sechs Fuß groß, von völlig ebenmäßigem Körperbau und der spielerischen Grazie eines
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