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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX
Autoren: Joel Ross
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geheimnisvolle Unterredung, ohne dass er dazu seine Erlaubnis erteilt hatte. Mac würde sich dafür revanchieren. Morgen, am nächsten Tag, dem Tag darauf.
    Tom beugte sich vor, um die Schuhe zu binden, und endlich spähte MacGovern ins Badezimmer, endlich sah er das Rasiermesser.
    »Diese dumme Kuh! Drückt jemandem wie Ihnen so ein Ding in die Hand.«
    MacGoverns spindelige Beine klappten wie eine Stehleiter auseinander, dann war er bereits im Bad, bevor Tom überhaupt mitbekam, dass er sich in Bewegung gesetzt hatte.
    »Kann von Glück reden, dass Sie mir kein frisches Grinsen verpasst haben, so von Ohr zu Ohr.«
    Tom lächelte und schnellte aus seiner kauernden Haltung nach vorn. Er traf MacGovern mit der Schulter an der Hüfte, als dieser gerade den zweiten Fuß auf den seifigen Fliesenboden setzte.
    MacGovern kam ins Rutschen, ruderte mit den Armen, versuchte sich noch am nassen Handtuch festzuhalten, das Tom an einen Haken gehängt hatte, fluchte und krachte mit nach oben schnellenden Beinen hart auf den Boden.
    »Verdammte Scheiße!«, brüllte er, ausgestreckt wie eine entzweigegangene Steckfigur. »Ich werde dafür sorgen, dass Sie eine Woche ohne …«
    Tom ließ sich auf ihn fallen, rammte ihm den Ellbogen in den Bauch, und während Mac nach Luft rang, packte er mit der unverletzten Hand ein Haarbüschel und schlug ihm den Kopf auf den Boden. Dreimal, dann hörte MacGovern auf, sich zu wehren. Nach dem vierten Mal stöhnte er halb ohnmächtig vor sich hin, während sich seine ausgestreckte Hand öffnete und schloss.
    Tom bog Mac die Arme um das Wasserrohr, vorsichtig, um auf den nassen Fliesen nicht auszugleiten, und band ihm mit seiner Krawatte die Handgelenke zusammen. Eine schmerzhafte Angelegenheit, Toms rechte Hand brannte, aber er schaffte es – er zog so fest zu, wie er konnte. Er trat zurück. Seine Erschöpfung war der Euphorie gewichen.
    Der erste Schritt war getan. Nun ging es um ihn und Earl in dieser lichtlosen, verwüsteten Stadt. Er nahm MacGoverns Schlüsselbund und Brieftasche, schloss die Badezimmertür und sperrte den Raum ab. Wenn er Glück hatte, war das Zimmer schalldicht. Wenn nicht, würde MacGoverns Geschrei Alarm auslösen.
    Er konnte nichts dagegen tun. Nichts, außer Earl zu finden und ihn zu stoppen.
     
    Tom huschte durch den Gang in Richtung Küchentreppe. Er bog falsch ab, fand sich in der Eingangshalle mit ihrer bemalten Decke und den schäbigen Kolonnaden wieder, die hier Hofsaal genannt wurde. Für einen Moment wurde ihm schwindlig, dann wusste er, wo er war. Er drehte sich um … Stimmen im Flur. Ihm schnürte es die Kehle zu. Wenn sie ihn jetzt erwischten, nachdem er MacGovern zusammengeschlagen hatte, würde er keine weitere Chance mehr bekommen.
    Die Stimmen wurden lauter, dann wieder leiser und verstummten schließlich ganz.
    Er brachte seinen pochenden Herzschlag unter Kontrolle. Sergeant Thomas Wall – Rosenblatt hatte ihn »Tommy Gun« genannt, ein Spitzname, der unter den anderen Männern die Runde gemacht hatte. So war er: furchtlos, flink, entschieden … und jetzt hatte er Angst vor den hallenden Stimmen plaudernder Schwestern.
    Keine Zeit für Selbstmitleid. Er sperrte mit MacGoverns Schlüssel einen Türflügel auf und kam gut fünf Meter weit, bis eine Schwester den Flur betrat. Er nickte ihr zu, ohne ihr in die Augen zu sehen, und ging weiter. Sie rief ihm etwas hinterher.
    »Ja, danke«, sagte er, ohne seine Schritte zu verlangsamen. Er bog um eine Ecke und öffnete eine weitere Tür. Er trat ein und fand sich in einer modrigen Garderobe wieder, in der es nach Kampfer stank. Wie lange noch, bis MacGovern gefunden wurde? Wie lange, bis Mrs. Harper zurückkehrte? Er ging die Kleiderbügel durch. Fand einen alten grauen Armeemantel, warf ihn sich über und öffnete wieder die Tür. Der Flur war leer. Er ging die Treppe hinunter und in die Küche, vorbei an den Sandsäcken und durch die Seitentür nach draußen. Frische Luft.
    Tom blinzelte, atmete und zwang sich, langsam über die breite, windige Straße zu gehen. Seine Anspannung schmerzte wie Nadelstiche zwischen den Schulterblättern, als erwartete er, dass auf ihn geschossen würde. Er eilte die nächste Straße entlang, hastete im Laufschritt quer über die Kreuzung. Er stieg in eine Tram, und eine Viertelstunde später befand er sich auf einer Allmende – Streatham, Clapham, wo zum Teufel war er? Irgendwo in London.
    Der Eisenzaun um die Allmende war weggerissen und vor langer Zeit schon zu Kugeln
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