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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX
Autoren: Joel Ross
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wartete, aber sie schwieg. »Ich bin schon mal aufgewacht«, sagte er. »Aber man wollte mir nichts sagen.«
    »Ich hab dir die heutigen Nachrichten mitgebracht.« Sie reichte ihm die zusammengefaltete Zeitung.
    »Was haben wir heute?«
    »Montag.«
    Zwei Tage verloren. Er wollte die Zeitung nicht sehen. Er wollte es nicht wissen. »Earl? Hast du …«
    »Ich hab mit deiner Mutter gesprochen.« Sie setzte sich auf den Klappstuhl. »Er wird in den Staaten beerdigt.«
    Zum ersten Mal spürte Tom die Leere des Verlusts. Auf Wiedersehen, Earl. Mögen die Fische und Frauen immer anbeißen. »Mit einem Gewehrsalut.«
    »Das hätte ihm gefallen.«
    »Er hätte Kanonen gewollt.«
    Sie lächelte verhalten, und ihre grauen Augen verloren ihren traurigen Schleier. »Abendammer ist gefunden worden, eine Straße von meinem Haus entfernt. Sie starb an einem Genickbruch.«
    »Sie haben … Abendammer ist eine Frau?«
    »War. Mr. Highcastle glaubt, dass das auch auf dein Konto geht.«
    »Ich?«
    »Hab ich ihm auch gesagt. Es war ein Gottesgeschenk, wer immer dafür verantwortlich sein mag.«
    Wieder schwiegen sie, und die Traurigkeit kehrte zurück wie ein kalter Luftzug. Er musste es wissen. »Wirst du bei der Beerdigung sein?«
    Sie strich sich eine Strähne hinter das Ohr. »Nein. Sag deiner Mutter, dass es mir leid tut.«
    Es stimmte also. Sie hatte die Informationen nicht an die Botschaft weitergeleitet, hatte sie nicht vor der japanischen Flotte gewarnt. Die Japaner hatten angegriffen, der Überfall war geglückt. Sie wollte nicht in die Staaten, nachdem sie für den Tod so vieler Bürger verantwortlich war.
    »Vater ist verhaftet worden«, sagte sie. »Ich hab als Zeugin ausgesagt.«
    Als Zeugin ausgesagt. Ihr Mann war tot, ihr Vater war verhaftet worden, und sie hatte nichts unternommen, um das Blutbad auf Hawaii zu verhindern. Was sagte sie – dass sie schon genug verloren habe?
    Aufrecht und zerbrechlich saß sie vor ihm. »Es gibt keinen Grund, dass du mir glaubst, Tom, aber ich liebe dich. Earl ist … Earl war … nun, deshalb bin ich hier. Um dir das zu sagen. Und weil ich mich nicht vor dem drücken sollte, was ich getan habe.« Sie senkte den Kopf und betrachtete das Licht, das auf ihre Finger fiel. »Ich werde mir die Hände schmutzig machen, Tom, weil wir den Krieg führen, den Amerika nicht will – weil Amerika nicht in den Krieg eintreten will, obwohl meine Mädchen sterben, obwohl ganz Europa fällt. Wie viele würden noch sterben, während ihr von der anderen Seite des Atlantiks aus zuseht? Fünfzigtausend britische Zivilisten sind tot, und du willst, dass ich um dreitausend amerikanische Soldaten Tränen vergieße?«
    Er sagte nichts. Es gab nichts zu sagen. Sie stand auf. »Wirst du mir alles Gute wünschen?«
    Stille.
    Sie ging zur Tür. Ihre Absätze hallten noch lange, nachdem sie fort war, durch den Gang. Als sie verklungen waren, sagte er ihren Namen.
     
    J APAN IM K RIEG MIT DEN USA UND G ROSSBRITANNIEN
     
    Beginn der Kampfhandlungen im Pazifik Mehrere Marinestützpunkte bombardiert
     
    G ENERALMOBILMACHUNG
    I N A MERIKA
    Japanische Streitkräfte haben gestern ohne offizielle Kriegserklärung amerikanische Stützpunkte im Pazifik angegriffen. Das Weiße Haus hat die japanischen Angriffe auf Stützpunkte in Hawaii und Manila bestätigt, Einzelheiten zu den militärischen Unternehmen liegen jedoch nur in Bruchstücken vor.
    Die feindlichen Streitkräfte, die anscheinend von einem oder zwei Flugzeugträgern aus operierten, begannen ihre Angriffe um 7.55 Uhr und setzten diese bis 9.25 Uhr Ortszeit fort.
    Unbestätigten Berichten zufolge sind 3000 amerikanische Soldaten und Zivilisten umgekommen, der Marinestützpunkt und die Stadt Honolulu hätten »unbeschreiblichen Schaden« erlitten.
    Präsident Roosevelt hat an die Armee und die Marine der Vereinigten Staaten den Befehl ausgegeben, alle notwendigen Maßnahmen einzuleiten, und die Mobilmachung sämtlicher Streitkräfte seines Landes angeordnet …
     
    Tom faltete die Zeitung zusammen und legte sie weg.
    Er würde genesen. Er würde wiederhergestellt werden. Es gab jetzt einen Krieg, und er war Soldat. Er schloss seine rechte Hand zu einer lockeren Faust. Die Schmerzen ließen nach. Es gab jetzt einen Krieg und eine alte Uniform, die wieder zu tragen war.
    Aber erst würde er in einem Nachtclub auf ein Bier und eine Flutlichtshow vorbeischauen. Vielleicht würde er ein wenig tanzen. Es gab dort dieses lustige großherzige Mädel. Was für eine Frau
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