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Alera 02 - Zeit der Rache

Alera 02 - Zeit der Rache

Titel: Alera 02 - Zeit der Rache
Autoren: Cayla Kluver
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einem Funken Liebe in den stahlblauen Augen, die dereinst mein Herz erobert hatten.
    Narian begann sich als Erster zu rühren. Sein Schmerz schien nachzulassen, und er schlief ruhiger. London machte dagegen keinerlei Anzeichen, das Bewusstsein wiederzuerlangen. Es schien, als wäre er unter einer Eisschicht gefangen. Sein Herz klopfte vergeblich gegen eine undurchdringliche Oberfläche an.
    Cannan wurde zusehends nervös und schien sich auch um die zu sorgen, die wir in unserem Unterschlupf in den Bergen zurückgelassen hatten. Und natürlich um die hytanische Bevölkerung, die eine knappe Woche zuvor ins Unbekannte entlassen worden war. Er wäre gerne aufgebrochen, weil er wohl fürchtete, die Gastfreundschaft unserer Feinde würde nicht von Dauer sein, doch er weigerte sich, mich zurückzulassen. Außerdem wollte er nicht ohne London fort. Die Hohepriesterin schien seine Gedanken zu erraten, aber sie sprach nicht mit ihm, sondern mit mir. Wir waren gerade in Narians Zimmer, als sie mir ihren Vorschlag unterbreitete.
    »Königin von Hytanica«, sagte sie unvermittelt zu mir, nahm die Hände von Narians Brust und legte seine Arme zurück auf die Bettdecke. »Ich habe viel darüber nachgedacht, wie dieses Reich regiert werden soll, und möchte Euch ein Abkommen vorschlagen. Hytanica ist jetzt cokyrisches Territorium, die Vergeltung um meiner Mutter willen ist geübt, und wir haben errungen, was wir schon lange begehrten – Zugang zu den Reichtümern Eures Landes. Aber ich kann diese Provinz nicht von den Bergen aus regieren.«
    Mit heftig klopfendem Herzen wartete ich, wie sie fortfahren würde.
    »Ich würde Eurem Volk erlauben, hierher, in seine Heimat, zurückzukehren, ohne versklavt zu werden. Eure Untertanen zu knechten war das Ansinnen meines Bruders, nicht das meine. Ich war immer nur an Eurem Land interessiert, nicht an seinen Bewohnern. Daher sehe ich folgende Möglichkeit: Ich kann eine Cokyrierin einsetzen, die hier herrscht und die Aufteilung der jährlichen Erträge zwischen Eurem und meinem Volk überwacht. Oder ich kann Eurem Volk eine Herrscherin geben, die es kennt und der es vertraut.«
    Sie sah mich lange an, bis ich begriff, was sie meinte.
    »Mich?«, stieß ich hervor.
    Sie nickte. »Gedanken an einen Aufstand werden von dem Moment an, in dem Eure Bürger zurückkehren, unvermeidlich sein. Doch Euch werden sie noch am ehesten folgen. Cokyri wird natürlich weiterhin in Hytanica präsent sein, aber ich denke, dass die Menschen mit einer der ihren als Herrscherin über diese Provinz am ehesten bereit sein werden, sich mit dieser Veränderung abzufinden.«
    »Sie werden mir nicht folgen«, wandte ich ein und wollte mir mich in einer solchen Position nicht einmal vorstellen. »Steldor ist ihr König.«
    »Steldor ist nicht mehr ihr König«, erwiderte sie unverzüglich in frostigem Ton. »Ich werde dieses Land nur in die Verantwortung einer Frau entlassen. Solltet Ihr das ablehnen, werde ich eine meiner Kommandantinnen einsetzen. Jemand, der Eure Revolten mit Leichtigkeit niederschlagen und Hytanica mit harter Hand regieren wird. Es liegt also ganz bei Euch, auf welche Weise Euer Volk sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren lernt.«
    Auch wenn ich wusste, dass mein Königreich nun ihr gehörte, fand ich ihren Vorschlag, wie es fortan regiert werden sollte, erstaunlich. Ich konnte mir das nicht vorstellen. Eine Frau in einer Führungsposition würde man in Hytanica nicht bereitwillig hinnehmen. Andererseits würde Nantilam Hytanica seinen König oder irgendeinen anderen männlichen Herrscher nicht gestatten.
    »Gibt es denn niemand anderen für diese Aufgabe?«, fragte ich und fühlte mich dieser Herausforderung in keinster Weise gewachsen.
    »Ich mache Euch dieses Angebot nicht leichtfertig. Denn Euch habe ich auf die Probe gestellt. Und Ihr habt Euch als dieser Verantwortung würdig erwiesen. Daher stelle ich Euch vor die Wahl: entweder übernehmt Ihr die Herrschaft oder eine cokyrische Abgesandte.«
    »Ich – ich brauche Zeit, darüber nachzudenken«, stammelte ich, obwohl ich doch eigentlich bereits wusste, wie meine Antwort lauten würde. Ich musste tun, was das Beste für mein Volk war, egal, wie sehr ich mich davor fürchtete.
    Die Hohepriesterin erhob sich und verließ das Zimmer, um nach London zu sehen. Ich nahm ihren Platz neben dem Bett ein, stützte den Kopf in die Hände und versuchte zu begreifen, wie es zu all dem überhaupt hatte kommen können.
    »Alera?«
    Eine erschöpfte, aber
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