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Alera 02 - Zeit der Rache

Alera 02 - Zeit der Rache

Titel: Alera 02 - Zeit der Rache
Autoren: Cayla Kluver
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vertraute Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich hob den Kopf und sah, dass Narian mich anstarrte.
    »Ja«, sagte ich und streckte die Hand aus, um ihm über das goldene Haar zu fahren. Mein Hals fühlte sich an wie zugeschnürt. Auch wenn ich überglücklich war, ihn wach zu sehen, sorgte die Fülle der vergangenen Ereignisse und die Verantwortung, die jetzt auf mir lastete, dafür, dass ich den Tränen nahe war.
    »Was ist passiert?«, fragte er, und mir fiel ein, was er alles noch nicht wissen konnte. »Wo ist der Overlord? Und wo … wo sind wir hier?«
    »Wir sind im Palast von Hytanica«, sagte ich, um die leichteste Frage als Erste zu beantworten. »Die Hohepriesterin hat uns hierhergebracht, nachdem sie …« Ich holte tief Luft und fragte mich, wie viele Neuigkeiten er wohl schon verkraften konnte, doch dann sprach ich offen weiter. »Nachdem du ihn mit deinem Dolch verletzt hattest, bat der Overlord seine Schwester, ihn zu heilen, doch sie … sie … hat ihn umgebracht.«
    Er schien wieder ohnmächtig zu werden, während er noch versuchte zu begreifen, was ich gerade gesagt hatte.
    »Narian«, sagte ich eindringlich und wünschte mir, ich hätte ihn nicht derart überfordert. Als ich die Hand ausstreckte, um ihm erneut übers Haar zu streichen, ergriff er sie und verschränkte seine Finger mit meinen.
    »Es tut mir leid«, flüsterte er mit halb geschlossenen Augen und gequälter Stimme. »Es tut mir so leid, Alera. Ich könnte es dir nicht verdenken, wenn du mich hassen würdest, nach allem, was ich getan habe.«
    »Lass mich dir aufzählen, was du getan hast«, sagte ich leise und bemühte mich, das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken. »Du hast meine Schwester gerettet. Du hast getan, was du konntest, um mein Volk zu schützen. Du hast London aus dem Tempel der Hohepriesterin befreit. Du hast mir das Leben gerettet. Und letztlich hast du den Overlord bezwungen. Das ist es, was du getan hast.«
    »Du sprichst zu gut von mir«, sagte er und seine strahlend blauen Augen hielten mich einen Moment lang fest. »Es gibt Dinge, die ich hätte tun, Dinge, die ich hätte verhindern sollen. Aber ich habe es nicht getan.«
    Ich vermochte ihm nicht zu antworten und konnte ihn durch den Schleier meiner Tränen auch nicht mehr sehen, denn er litt unter einer anderen Sorte Schmerz – ein Schmerz, den nicht einmal die Hohepriesterin lindern konnte. Als ich meine Tränen endlich fortgeblinzelt hatte, war er mir bereits wieder entglitten.
    Am nächsten Tag unterzeichnete ich das Abkommen mit der Hohepriesterin. Eine hochrangige cokyrische Offizierin hatte es gemäß Nantilams Diktat niedergeschrieben. Cannan und ich studierten es sorgfältig, denn wir wussten, dass Hytanica in meinen Händen wäre, sobald ich meinen Namen auf den Pergamentbogen gesetzt hätte. Schließlich leistete ich meine Unterschrift am Fuße des Vertragstextes.
    Daraufhin kehrte der Hauptmann zu der Höhle zurück. Die anderen hatten sich lange genug versteckt, und nun erschien es uns sicher genug, den Unterschlupf zu verlassen. Während ich ihre Rückkehr erwartete, suchte ich zum ersten Mal seit meiner Ankunft im Palast den Thronsaal auf, denn ich wollte mir den Schaden vor allen anderen allein besehen. Ich trat in die Mitte des Raumes, sank dort zu Boden und weinte. Bevor ich mich der Zukunft stellen konnte, musste ich noch betrauern, was wir verloren hatten.
    Die Cokyrier hatten die Thronsessel von der Empore gezerrt und die meisten der ins Holz eingelassenen Edelsteine herausgebrochen. Das Wappen meiner Familie lag zerschlagen auf dem Steinboden, nachdem man es offenbar von der Wand gerissen hatte. Die Flaggen, die die Wände geschmückt hatten, waren verbrannt. Am schlimmsten traf mich jedoch, dass die Porträts der früheren Könige, die die Mauern der mächtigen Halle gesäumt hatten, teilweise bis zur Unkenntlichkeit beschädigt waren.
    Das war die Geschichte Hytanicas, meine Geschichte, die uns so kostbar war. Unsere Feinde hatten sie mit Füßen getreten. Würde es mir in Anbetracht dessen gelingen, die Herzen und Köpfe meiner Untertanen zu besänftigen? Würden wir uns jemals damit abfinden können, unter cokyrischer Herrschaft zu leben? Ich wusste zwar, dass die Bedingungen der Hohepriesterin weitaus gnädiger ausgefallen waren, als wir es hätten erwarten dürfen. So gewährte sie uns sogar eine gewisse Autonomie, aber dennoch würde es für all jene, die so viel verloren hatten, schwer werden, der gegenwärtigen Situation
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