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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel
Autoren: Günther Bentele
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der gefälschten Unterschrift gekommen war: Die gesamte Inszenierung passte perfekt zu der in der Kiesgrube!
    Es galt die Situation zu durchbrechen. »Was wollen Sie, Herr Graßner und Herr Sauler? Wir haben Ihnen nichts getan, Sie tun uns nichts, und wir vergessen das Ganze«, schlug ich naiv vor.
    »Machen Sie keinen Unsinn«, schob Dr. Hagenbach nach.
    Graßner redete weiter und weiter. Man sah förmlich, wie ihm der Speichel aus dem Mund spritzte, weil er zu wenig zum Schlucken kam. Das Rätsel löste sich. Es löste sich schrecklich. Vor uns, unsichtbar durch das Licht, gestand Ernst Graßner, der Mörder von Fritz Pocherd zu sein. Fritz Pocherd, so begründete er das Verbrechen, hatte seinen Vater mitgenommen nach Lindau.
    »Nur mal sehen, wie die reichen Leute ihr Geld wegwerfen. Dann der eigene Versuch, die ersten Gewinne, dann die Verluste, dann die Versuche, das Glück zu zwingen, schließlich das Ende am Strick. Ich war in der Scheune dabei, als man ihn abschnitt.«
    Das Ganze hatte sich über Jahre hingezogen. Niemand in der Familie wusste von diesen Spielbankbesuchen in Lindau: Termine mit Fritz Pocherd, Treffen mit Bauern in Wilsingen, Geisingen, Hayingen wegen Holzgerechtigkeiten, anschließend die üblichen, in diesen Fällen ausufernden Wirtshausbesuche; Teilnahme an Jagden, denn auch Graßner war Jäger; regelmäßige Fahrten wegen Viehlieferungen oder Traktoren, Besichtigungen von Butterwerken, Biogasanlagen; Beratungen mit Pocherd wegen Entscheidungen im Gemeinderat in Pfronstetten die Interessen Tigerfelds betreffend und vieles andere. Der reiche und einflussreiche Vater war in allen Gremien tätig, die das Dorf betrafen. Erst spät erfuhr es Frau Graßner. Das Ergebnis war der vollständige Ruin des Hofs und damit auch der Zukunft des Sohnes Ernst.
    »So gesehen, war mein Vater selbst schuld und für die Katastrophe allein verantwortlich.«
    Aber nun gab es eben auch Fritz Pocherd, der Ernsts Vater in die Spielbank gebracht hatte, der immer wieder mit ihm nach Lindau gefahren war, der ihm lange Zeit geholfen hatte, die Angelegenheit zu vertuschen.
    Ich kannte das, Fritz war ein Spieler: Er freute sich nicht nur am eigenen Gewinn – denn er gewann fast immer, das heißt, er spielte nicht dort, wo der Verlust nicht einigermaßen sicher kalkulierbar war. Er hatte in Lindau bestimmt nicht mitgespielt, da hätte ich gewettet. Umso schlimmer war seine Schuld, dass er Franz Graßner nicht nur dazu gebracht hatte, süchtig zu werden, sondern ihn dabei auch noch beobachtete. Fritz – ein Spieler, der sein Spiel mit Menschen trieb. Auch das gehörte zu seinem Wesen. Ich wunderte mich, dass ich nicht von selbst auf diese Zusammenhänge gekommen war.
    Andererseits war ich überzeugt, dass Franz mehr war für Fritz als nur ein Versuchskaninchen für Spielkasinos. Dass er dem Graßner-Hof nicht Hilfe angeboten hatte, konnte ich mir nicht vorstellen.
    »Mein Vater hat Pocherd beschworen, ihm zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen.«
    Das Licht wurde unerträglich, die Augen waren Feuerkugeln, die Welt bestand aus Feuerrädern, der Kopf stach und dröhnte.
    »Da war die Chance mit dem Windrad. Plötzlich redete er mit meinem Vater nur noch von dem Windrad. Er solle alles auf die Karte Windrad setzen, dann könne er seine Spielverluste leicht wieder wettmachen. Er bot ihm den ganzen Einsatz an – nichts dagegen zu sagen. Mein Vater aber hatte den Glauben an sein Glück verloren und erhängte sich.«
    Jedes Wort stimmte. Genau so handelte Fritz Pocherd. Ich sah ihn vor mir, breit lachend, ein Spieler. Ein Spieler mit Fortune, außer in seinem letzten Spiel.
    Ernst hatte keine Zukunft mehr. Das Dorf schloss ihn aus, vor allem die Älteren – den Hof durchgebracht, hieß es, verkommen, nichtsnutzig, die Mädchen wollten nichts mehr von ihm wissen. Der Zustand der Mutter verschlechterte sich dramatisch. Er schloss sich Sauler an, der bereits zwei Lehrstellen abgebrochen hatte: Sie begannen zu trinken und Drogen zu nehmen, nachts in der Kiesgrube, und krumme Dinger mit Autos zu machen. Mit der Zeit wurde Fritz Pocherd in Ernsts Gedankenwelt jeden Tag mehr zum Sündenbock: Sein erneutes Spiel mit dem Vater, jetzt mit dem Windrad – der Suizid. Der Hof war verkommen. Er würde versteigert werden, der Erlös würde die Schulden nicht einmal zu einem Zehntel decken.
    »Pocherd musste bestraft werden. Die Justiz versagte hier. Ich musste die Sache selbst in die Hand nehmen.«
    Der Wirbel um die Windkraftanlage war
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