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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel
Autoren: Günther Bentele
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dummen Streich, wie damals mit dem Sack.«
    Erst jetzt machte ich mir klar, dass es hier selbstverständlich nicht um den Fall Amelie ging. Ihr Name stand nur da, um mich zu locken. Wer uns aber lockte, wenn wirklich einer auf uns warten sollte, war keine Frage: der Mörder von Fritz Pocherd.
    Fritzens Unterschrift!
    »Eine Fälschung natürlich, auf die wir nicht hereinfallen. Das Rätsel wird vergrößert, Inszenierung.« Hagenbach fieberte. »Nicht ungeschickt, der Kerl, gar nicht ungeschickt, und richtig einfallsreich.«
    »Oder die Kerle, wer weiß! Und was die dann vorhaben, wissen wir auch nicht! Ich sehe das nicht so fröhlich wie Sie, Herr Dr. Hagenbach. Ich widerspreche Ihnen: Wir müssen Hohwachter einschalten, unbedingt. Es ist der pure Leichtsinn, was Sie verlangen.«
    Aber da war der Name Amelie. Da war diese seltsame Unterschrift.
Fritz Pocherd
. Mit einem Haken auf dem »z«, und einem auf dem »d«. Der Graphologe der Soko würde die Fälschung natürlich leicht nachweisen. Es brauchte aber die Soko gar nicht: Selbstverständlich wussten wir, dass die sehr gut gefälschte Unterschrift nicht von Fritz Pocherd war.
    Mich sollte der Name Amelie verführen! Die gefälschte Unterschrift
Fritz Pocherd
aber sollte Dr. Hagenbach in den Eiskeller bringen.
    Ich gebe zu, dass ich einen schweren Kampf kämpfte. Aber ich wäre mir wie ein Verräter vorgekommen, wenn ich nicht auf den Namen Amelie reagiert hätte. Niemals hätte ich gedacht, dass ich, ein Naturwissenschaftler, so irrational reagieren würde. Jede Faser in mir wehrte sich wie Feuer gegen Wasser.
    Und jede Faser in mir schrie: Warum bist du nicht schon dort?
    Gegen 17 Uhr stellten wir meinen Wagen einige hundert Meter vor dem Waldrand zum Alten Hau am Kettenacker Weg ab. Es war noch kälter geworden und hatte zu nieseln begonnen. Zuerst war Dunst aufgekommen, der sich verdichtete, dann Nebel, jetzt spürten wir das feine, dichte Gespinst des Nieselregens im Gesicht.
    Dr. Hagenbach trug einen Regenmantel, ich meine Windjacke wie auf dem Klapprad.
    Es war schon fast dunkel, als wir den Waldrand erreichten. Die Birke auf dem Butzenstein war unsichtbar. Drüben, auf der anderen Seite der Äcker, die zum Hart hinführen, war das Auchtweidle nur noch ein dunkler Block.
    Selbstverständlich hatte jeder von uns eine starke Taschenlampe dabei, wie sie zum Beispiel zum nächtlichen Ablesen von Windmessgeräten notwendig sind.
    Was erwartete uns im Eiskeller? Natürlich kein wiederauferstandener Fritz Pocherd. Mit Sicherheit keine Personen: Niemand hockt sich bei Kälte und Regen in den unwirtlichen Wald bei einem alten Keller und wartet auf zwei Windspezialisten – wozu auch? Und in einem verfallenen Keller voller Schimmel und Moder erst recht nicht.
    Ob die neue Hütte gemeint war mit dem Eiskeller, was ich hoffte, aber nicht recht glaubte, würde sich rasch zeigen. Ich stellte mir die offene Hüttentüre vor und darin vielleicht auf einem Tisch oder Stuhl einen neuen Zettel mit weiteren Verrücktheiten, der aber immerhin aufschlussreiche Fakten enthalten konnte.
    Je näher wir dem Wald um den Eiskeller kamen, desto vorsichtiger traten wir auf. Der Wald besteht hier aus Fichten, bei deren Pflanzung noch mein Vater und mein Onkel mitgeholfen hatten. Zu hören war nur das Tropfen von den Zweigen. Nieselregen selbst ist ja fast lautlos. Andere Geräusche, etwa von der fernen B 312 her, wurden von ihm erstickt.
    Der Weg macht hier einen scharfen Knick nach rechts, steigt dann ein kurzes Stück an und führt nach wenigen Schritten an der neuen Hütte vorbei, die neben der längst abgetragenen Ruine des alten Gebäudes errichtet worden ist. Die Türe war verschlossen, die Läden vorgelegt. Nirgendwo – wir suchten gründlich mit unseren Taschenlampen – hing ein Zettel. Nur ein ausgebleichtes Plakat kündigte irgendeine Band in Reutlingen an.
    Ich hoffte den Eingang zum wirklichen Eiskeller finden zu können, den ich zum letzten Mal vor sicher weit über vierzig Jahren betreten hatte. Ob es diesen höhlenartigen Eingang noch gab, wusste ich nicht. Dr. Hagenbach hatte sich vorsichtig beim Kronenwirt danach erkundigt, aber der wusste gar nichts, nur dass er von dem alten Keller schon gehört hatte – schließlich war dieser ja einst Teil seines Gasthofes gewesen.
    Auch wenn ich mich noch so gut ausgekannt hätte, den Eingang hätte ich in dieser Dunkelheit nicht gefunden. Zum Glück hatte ich aus reiner Neugier vor einigen Wochen Anton Fendler danach gefragt –
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