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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel
Autoren: Günther Bentele
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als Täter ausschied – dummerweise, denn wir hätten uns der Weibergeschichten wegen schon gerne auf ihn als Täter verständigt – war die Frage: Wenn es nicht der Geliebte war, den die Weiber beschützt haben, wen dann?«
    »Es gab viele Einzelhinweise«, nahm Steinhilber den Faden wieder auf, »Hinweise, die wir alle in Zusammenhang bringen und auswerten mussten.«
    »Und die eigentlich alle in eine Richtung wiesen. Es musste eine Person sein, die zwar nicht Fritz Pocherd war, aber genauso geschützt worden war wie er.«
    »Helene Strauß, Frau Egle und deren Schwiegermutter Oma Egle. Drei Frauen beschützten den Täter. Die ersten beiden beschützten ihn nicht, weil sie ihn liebten, sondern weil sie Fritz Pocherd liebten! Die dritte, Oma Egle, hält zu ihrer Schwiegertochter.« Hohwachter sah mir direkt in die Augen.
    »Und da bietet sich eigentlich nur einer an.« Auch Steinhilber hielt den Blick erwartungsvoll auf mich gerichtet.
    Einen winzigen Augenblick lang fühlte ich mich schutzlos. Meinten die etwa nun doch mich? Und was war mit meinem Alibi? Ich saß plötzlich nackt auf meinem Stuhl im Wirtshaus, ausgeliefert, umstellt und angegeifert von wilden Tieren. Ein Fünfzigjähriger und eine Neunzehnjährige – es ist gegen die Natur.
    Es war nur ein Moment.
    Sie meinten nicht mich, selbstverständlich nicht. Aber möglich war es gewesen, bei aller Kausalität, bei aller vermeintlichen Perfektion, bei allem menschlichen Vertrauen, bei aller Gemeinsamkeit, bei allen Bindungen, bei aller Zivilisation –
    Hohwachter hielt die Augen immer noch auf mein Gesicht gerichtet. Erblickte er da die Angst jeder Kreatur vor irrtümlicher Vernichtung – aus Unfähigkeit, aus Angst, aus Schuldbewusstsein? Aus Misstrauen, aus Hass, aus Böswilligkeit? Die Angst des Tieres, das sich voll Panik im letzten Winkel unserer Seele verkriecht?
    Nein, er wartete wie sein Kollege auf meine Meinung.
    »Es muss eine Person sein, die ihm so nahesteht, wurde uns klar«, sagte Hagenbach, »dass der Geliebte tödlich verletzt wäre, wenn die Frauen den Täter nicht schützen würden.«
    Ich konnte sie plötzlich befriedigen, die Erwartung der beiden Kriminalisten, ich hätte es eigentlich schon lange gekonnt, aber ich hatte den Gedanken von meinem Hirn ferngehalten. Er war mir wohl als unfair erschienen. Oder, was dasselbe ist, ich hielt mich wahrscheinlich für befangen.
    »Karl Pocherd«, sagte ich.
    Keiner sagte ein Wort.
    Dann wiederholte ich: »Karl Pocherd, nur er kann es gewesen sein.«
    Und ich bin die böse Ursache, sagte eine Stimme in mir.
    Hauptkommissar Steinhilber grinste breit wie noch nie, Hauptkommissar Hohwachter sagte: »Bravo.«
    »Daran kann kein Zweifel sein«, bestätigte mein Nachfolger, zuerst zögernd.
    »Es gibt weitere Indizien«, sprach Hohwachter, »die aber nur für den Staatsanwalt interessant sind.«
    »Sie haben aber ausgereicht, dass wir Frau Pocherd eingehend nach ihrem Sohn befragt haben«, berichtete Steinhilber.
    »Die Frau hatte jahrelang unter der entsetzlichen Last gelebt, war frühzeitig gealtert. Eine gewisse Erleichterung bedeutete die Abreise des Sohnes in die USA. Nun war er zurück, alles brach wieder auf. Ihr Mann, der ihr – trotz aller Weibergeschichten – in seiner offenen Art doch auch Halt gegeben hatte und den sie immer noch liebte, war tot, durch ein Verbrechen umgekommen, wie es ihr Sohn begangen hatte.« Hohwachter schwieg.
    »Die war so fertig«, setzte Steinhilber den Bericht fort, »da musstest du nur ganz leicht antippen, dann hat die nicht mehr aufgehört zu reden.«
    Fritz Pocherd? Hatte auch er gewusst, dass sein Sohn ein Mörder war? Es war für mich eigentlich undenkbar, dass es irgendetwas im Hause Pocherd geben konnte, von dem dieser allmächtige Hofbauer nicht gewusst hätte. Mit seinem Herrengebaren konnte er jeden Schmerz überdecken. Es ging mich nichts an. Marie Pocherd würde es wissen.
    Wie behutsam hatte mir Frau Helene Strauß den Namen Pocherd verborgen! Und in welcher panischen Angst musste Franziska gewesen sein, dass ihre Tante ihn doch vorzeitig preisgeben würde. Aber die verschwand ins Rheinland.
    Die Verhaftung von Karl Pocherd erlebten wir mit.
    Die Mutter wurde in Reutlingen noch von der Polizei festgehalten – zu ihrer Schonung, versicherte uns Hohwachter. Karl hatte noch einen zweitägigen Besuch in Biberach gemacht bei einem Freund und ahnte nichts. Er wollte unverzüglich wieder abreisen nach Kansas City – wir hatten uns bereits über diese
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