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Alaska

Titel: Alaska
Autoren: James Albert Michener
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waren, als er es nach seiner eigenen Taktik versucht hatte, ließ sich geräuschlos an der geschützten Seite des Kamms hinabgleiten, vorsichtig, damit ihn die anrückenden Tiere nicht sahen, und als er eine Stellung erreicht hatte, wo er sie abfangen konnte, wenn sie an der anderen Seite hochkamen, wurde ihm klar, dass ihm nur ein Schuss blieb, auf den ersten Bock, der seinen Kopf über die Linie streckte. Er sah sich noch einmal nach Poley Markham um, seine Bestätigung erwartend, und war froh, als dieser ihm von ziemlich weit oberhalb her ein Zeichen machte, Daumen und Zeigefinger der rechten Hand zu einem Kreis zusammenlegte. Die Bühne war bereitet für die beste Gelegenheit, die Jeb jemals haben sollte, die letzte Trophäe seiner »Großen Acht« zu schießen.
    Er hielt den Atem an, wartete, bis eines der Tiere auftauchte, dann die Freude, als ein Bock, schneeweiß und mit perfekt geformten schwarzspießigen Hörnern auf dem Kamm erschien und einen Augenblick bewegungslos stehenblieb. »Schieß doch endlich, verdammt noch mal!« flüsterte Poley zu sich selbst, aus Furcht, das kleinste Geräusch könnte den Bock warnen, aber war im nächsten Augenblick erleichtert, als er Jebs Schuss widerhallen hörte. Der Bock taumelte nach vorne, bebte und stürzte dann nach hinten, die andere Seite den Kamm hinunter, für Jeb außer Sicht.
    Poley jedoch, von seinem höheren Standpunkt aus, konnte erkennen, dass die Ziege tödlich getroffen und nur sehr tief in die Schlucht gestürzt war. »Jeb!« rief er aufgeregt. »Sie haben sie getroffen, aber sie liegt unten in einer Rinne. Klettern Sie runter, und holen Sie sich das Tier, ich trage schon mal die Ausrüstung nach unten.« Als Jeb mit dem Abstieg begann, auf die Stelle zu, wo er die Ziege zuletzt gesehen hatte, schulterte er sein Gewehr, aber Poley rief ihm wieder zu: »Lassen Sie das Gewehr liegen, ich hole es. Das Tier liegt ziemlich weit unten.« Und als Jeb sah, wo die Ziege aufgekommen war, tief unter ihm, musste er einsehen, dass Poleys Ratschlag nur klug war, und lehnte das Gewehr gegen einen Felsbrocken, wo Poley es nicht übersehen konnte. Als wären sie durch unsichtbare Fäden verbunden, begannen die beiden Männer mit dem Abstieg, Poley von seinem Aussichtspunkt aus, dahin, wo das Gewehr lehnte, Jeb von seinem Gewehr aus, dahin, wo seine letzte Trophäe wartete.
    Während sie ihren siegreichen Abstieg begannen, behielt Jeb den Bock immer im Auge, ein prächtiges Exemplar seiner Gattung, davon war er überzeugt, aber Poley, von der höhergelegenen Warte aus, überblickte das gesamte Gelände: den Pazifischen Ozean, die beiden Landspitzen, die den Anfang des kleinen Fjords bildeten, die steilen Flanken, auf denen die drei Böcke geklettert waren, und das V-förmige Ende der Bucht, in das Jeb hinunter kletterte, um sich seinen Preis abzuholen. Es sah aus wie die Miniatur eines Künstlers, der sich vorgenommen hatte, das ideale Bild einer Küstenlandschaft in Alaska zu malen.
    Doch Poley Markham sah auch, wie das gesamte Wasser der Bucht plötzlich und dann ununterbrochen abgesaugt wurde, und er wusste instinktiv, dass etwas Unerhörtes und Schreckliches geschehen war.
    »Jeb! Jeb!« schrie er, aber in seinem Eifer, endlich seine Trophäe in Händen zu halten, war Jeb außer Hörweite geklettert. Trotzdem hörte Poley nicht auf zu schreien, denn jetzt sah er, wie das Wasser zurück in die Bucht schoss und unbarmherzig aufstieg, als würde es von einem bösen Meeresungeheuer nach oben gedrückt.
    »Jeb! Kommen Sie zurück!«
    Es war deutlich zu sehen, dass die dunklen Wellen, nicht sehr hoch, aber mit ungeheurem Druck, nicht eher nachlassen würden, bis das ganze Tal unter Wasser stand, und die Flut erst dann zum Stillstand kommen würde, wenn sie eine Höhe erreicht hatte, die um etliche hundert Meter über »normal« lag, und als Jeb endlich die Gefahr erkannte, in der er sich befand, stand das Wasser schon so hoch und stieg mit einer solchen Geschwindigkeit noch weiter an, dass er nichts mehr zu seiner Rettung tun konnte. Er musste zusehen , wie das Wasser die Ziege umspülte, sie in die Luft wirbelte, das Tier in der Gischt unterging, dann hatten die unbarmherzigen Wellen auch ihn erreicht, warfen ihn zur Seite und umschlossen ihn, während sie die Talflanken hochkletterten, schneller, als es die Ziegen getan hatten. Das letzte, was seine Augen erblickten, war nicht seine Trophäe, die von der Tiefe in Stücke zerrissen wurde, sondern Poley Markham, der
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