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Alantua

Alantua

Titel: Alantua
Autoren: J. T. Bernett
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auf den
Pflastersteinen gehört. Kurz vor der Sitzbank blieb er stehen.
Es war der junge Mann, der ganz hinten im Tempel des Lichts gesessen
hatte. Missmutig sah sie in die entgegengesetzte Richtung und
verschränkte die Arme vor der Brust. Sie wollte ihn zu keinerlei
Konversation ermutigen.
    Sie
hatte Glück und er ging weiter.
    Doch
als sie ihm vorsichtig nachsah, drehte er sich noch einmal um,
lächelte spöttisch und ging weiter. Bei dieser Bewegung war
kurz seine Kleidung unter dem cremefarbenen Umhang zu sehen gewesen.
Er trug Schwarz, tiefstes Schwarz. Anyún stockte der Atem. Er
war kein Gläubiger der Lichtgöttin. Nein, dies war ein
Diener der Finsternis!
    Ruckartig
erhob sie sich und entfloh in die entgegengesetzte Richtung. Sie
wollte diesen Moment lieber vergessen. Sie wollte den ganzen Morgen
vergessen und ganz besonders diesen grauenvollen Traum.

    Genau
deshalb sprach sie in den folgenden Tagen mit niemandem darüber.
Sie dachte, wenn sie nicht darüber redete, so würde ihr der
Traum bald aus ihrem Bewusstsein schwinden, wie es mit schlechten
Träumen immer geschah. Doch diesmal war es anders. Sie
versuchte, ihre alltäglichen Pflichten zu erledigen, half ihrer
Stiefmutter im Haus, spielte mit ihren Halbgeschwistern und studierte
die Bücher ihres Vaters. Das Feuer war immer da: Wenn sie die
Augen schloss, wenn sie in den Ofen sah, wenn sie die Kerzen am Abend
entzündete.

    Dann
kam der Markttag und sie freute sie darüber, dass Melena sie mit
einer Liste von zu erledigenden Besorgungen dorthin schickte. Genau
das war die Ablenkung, die sie sich ersehnt hatte. Sie nahm ihren
geflochtenen Korb mit sich und freute sich auf die verschiedenen
Stände und die Waren der Händler. Da sie auf einer Insel
lebten, kamen viele der Händler mit Booten aus Alantua und
Tallgard. Sie brachten nicht nur ihre Güter und
Handwerksarbeiten mit sich, sondern auch Neuigkeiten aus den beiden
Königreichen. So vernahm sie am Stand eines Fischers, dass es in
Tallgard Überfälle aus dem Gildenreich gegeben hätte
und dass der Boden dort unter einer anhaltenden Trockenheit litt.
    Bald
hatte sie die Eier, den Met und das Salz besorgt, wie es Melena ihr
aufgetragen hatte. Da vernahm sie eine junge Stimme am Rande des
Marktplatzes.
    Statt
direkt nach Hause zu gehen und ihrer Stiefmutter bei den
Vorbereitungen zu helfen, suchte sie sich einen Platz im Schatten
einer jungen Birke, stellte den Korb mit den Einkäufen neben
sich auf den Boden und versuchte zu erhaschen, was der junge Mann zu
sagen hatte. Ein junger Novize der Göttin Alanwy appellierte
unweit an die Marktbesucher. Die Insel der Magier war nicht nur ein
Hort der magischen Studien, auch die gelehrtesten Priester der
Königreiche waren hier zu Hause. Es war keine Seltenheit, dass
Novizen auf der Insel spontane Predigten hielten. Sie schulten so
ihre Redegewandtheit und pflegten den Kontakt zum Volk. Und genauso
oft kam es vor, dass eine Gruppe Andersgläubiger hinzu kam und
den Prediger provozierte. Zwischen den Zuhörern befanden sich
drei oder vier schwarzgekleidete Anhänger Zaroms.
    Der
Novize sprach von der Wichtigkeit des Lichts, und dass es ohne Licht
kein Leben gebe. Die Gläubigen Zaroms spotteten, dass es ohne
Dunkelheit kein Licht gebe und dort wo Licht sei, gebe es auch immer
Schatten. Sie provozierten und beleidigten ihn.
    „Licht
ist Frieden und Licht ist Glück. Jeder, der dem Licht folgt,
wird das wahre Glück erfahren“, sprach der junge Mann in
der weißen Robe.
    „Sicher,
denn Eure lichte Göttin ist nur ein schöner Schein“,
meldete sich ein Schwarzgekleideter dreist zu Wort.
    Die
Zuhörer tuschelten. Manche verließen den Kreis, andere
stießen neugierig hinzu.
    „Licht
ist Wahrheit“, fuhr der Novize unbeirrt fort.
    „Licht
ist nur Trug und zeigt nie die Wahrheit“, spottete ein anderer
Mann in Schwarz.
    Die
Haltung des Novizen wurde steifer, auch wenn er den Blick tapfer,
beinahe trotzig, in die Runde seiner Zuhörer gerichtet hielt.
    „Die
Dunkelheit ist bloß das Fehlen des Lichts. Dunkelheit kann
niemals das schaffen, was das Licht bewirkt: Glück, Liebe und
Frieden. Dunkelheit schafft nur Einsamkeit und Wut.“
    „Oh,
welche weise Worte aus so jungem Munde. Er vergisst nur, dass
Dunkelheit so viel mehr kann: Die Dunkelheit bringt den Tod.“
    Das
Gemurmel wurde lauter. Bargen diese Worte eine Drohung? Weitere
Menschen blieben stehen und gafften. Anyún war empört.
Warum ließen die Schwarzgekleideten den Novizen nicht einfach
in
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