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Alantua

Alantua

Titel: Alantua
Autoren: J. T. Bernett
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haben? Und warum?

    Am
Rande des Marktplatzes gingen zwei Frauen in hellen Umhängen
entlang. Anyún erschrak, als sie bemerkte, dass sie nicht mehr
allein war. Doch die beiden waren in ein leises Gespräch
vertieft und beachteten das Mädchen nicht weiter. Sie gingen
weiter ihres Weges. Dort, am östlichsten Rand Sonnhafens, erhob
sich über kleinere Gebäude und Bäume hinweg die weiße
Kuppel des Lichttempels.
    Sonnaufgang
musste nahe sein. Die Anhänger Alanwys fanden sich bei
Sonnenaufgang im Lichttempel ein, um die Muttergöttin zu ehren.
    Die
Statue der Göttin lächelte aufmunternd auf Anyún
herab. Das Mädchen atmete tief ein und folgte den Gläubigen.
    Der
Tempel war kleiner, als es der alte Tempel es in Dejia gewesen war.
Vor sechs Jahres war dieser durch ein verheerendes Feuer zerstört
worden und seitdem war man mit dem Wiederaufbau beschäftigt.
    Hier
in Sonnhafen erhoben sich zwei weiße Säulen vor dem
Eingang. Kein Tor verschloss jemals den Gläubigen den Eintritt.
Jederzeit war so der Zugang gewährt.
    Nur
wenige Male war sie zuvor hier gewesen, die Sonnenmesse hatte sie
aber nie besucht. Tausend Menschen hätten auf dem weißen
steinernen Platz im Inneren Platz gefunden. Lebten überhaupt so
viele Menschen in Sonnhafen? Im Moment waren nur die vordersten drei
Reihen gefüllt. Sie sah die weißen, schmucklosen Gewänder
der Priester, Magier und Novizen vermischt mit den ungefärbten
Gewändern von Dienern und Handwerkern. Auf der Insel der Magier
war das Gefälle zwischen Arm und Reich gering, gingen hier doch
die meisten Menschen den Studien der Magie und der Lobpreisung der
Götter nach.
    Anyún
nahm in der vierten Reihe Platz, etwas entfernt von einem der
Novizen. Die Gläubigen hatten den Blick auf das runde Fenster
gerichtet, dessen Rahmen golden schimmerte. Die Architektur des
Tempels war so konzipiert, dass bei Sonnenaufgang das Licht genau
durch dieses Fenster fiel.
    Wollte
Alanwy, die große Muttergöttin, ihr wirklich ein Zeichen
schicken, wäre dieser heilige Moment der passende Zeitpunkt.
    Der
Himmel, der durch das Fenster zu sehen war, hellte bereits auf und
die Sterne verblassten. Ein Priester hatte die Kerzen im Tempel
gelöscht. Ein leises Summen wurde angestimmt. Von den steinernen
Wänden zurückgeworfen, klang es wie das Summen eines
Bienenschwarms.
    Anyún
summte nicht mit. Sie wartete.
    Die
Priester und die Gemeinde summten lauter. Und dann, als der erste
Lichtstrahl die untere Kante des goldenen Rahmens berührte,
wurde dieser reflektiert und badete das Innere des Tempels in ein
goldenes Strahlen.
    Der
Sonnenpriester stimmte den zeremoniellen Morgengesang an, die
Gläubigen stimmten ein. Sie dankten der Muttergöttin für
die Wärme und das Licht auf Erden, für jeden Tag und alles
Leben.
    Anyún
blieb still, obwohl sie die Worte des Gesangs kannte. In ihrer
Kindheit hatte sie diese oft gesungen, gemeinsam mit ihrer Mutter.
    Sie
hatte gehofft, dieser Moment würde ihr eine Antwort bringen, ein
kleines Zeichen, eine Botschaft der Göttin, wie sie den
schrecklichen Traum der vergangenen Nacht zu deuten hatte. Zumindest
hatte sie jedoch gehofft, der Aufgang der Sonne würde die
Finsternis in ihrem Inneren vertreiben. Doch die Wärme und die
Freude der anderen Anwesenden vermochten Anyúns Herz nicht zu
erreichen. Sie spürte noch immer das Feuer, die Lava, die
Finsternis und den Tod.

    Vielleicht
hätte sie bleiben sollen, um mit einem der Priester zu reden.
    Doch
was hätte man ihr schon zu sagen? Dass es nur ein Albtraum war,
dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte? Man würde sie
nach Hause schicken, wie man es mit Mädchen in ihrem Alter tat.
Unzufrieden erhob sie sich, noch bevor die Morgenandacht vorüber
war.
    Erst
als sie die letzten Bänke passierte, bemerkte sie, dass dort
hinten noch jemand saß, ein Mann, gehüllt in einen weißen
Kapuzenumhang.
    Ihre
Blicke trafen sich. In seinen hellen Augen lag Neugier und
gleichzeitig so etwas wie Spott.
    Anyún
senkte den Blick und beschleunigte ihre Schritte. Vor dem Tempel
wandte sie sich sofort nach rechts, ging etwas weiter, fand eine
steinerne Bank neben einer Birke und ließ sich darauf sinken.
Tief atmete sie die frische Luft ein. Ihr Herz raste. Warum war sie
nur so unruhig? Sie erkannte sich selbst kaum wieder. Wieso konnte
ein dummer Albtraum sie derart aus der Fassung bringen? Und warum
hatte sie angenommen, es könne mehr als ein verdammter Traum
sein?
    Jemand
näherte sich. Sie hatte die Schritte seiner Stiefel
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