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Alantua

Alantua

Titel: Alantua
Autoren: J. T. Bernett
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Fensterläden zu öffnen. Die Nachtluft war
frisch und es tat gut, sie auf der erhitzten Haut zu spüren.
Keine Wolke zeigte sich am Sternenhimmel über Sonnhafen und der
Mond verbarg sein Gesicht, denn es war Neumond.
    Leise
schlich sich Anyún in das untere Geschoss des Hauses. Sie
wollte ihre Eltern und ihre kleinen Geschwister nicht wecken.
    In
der Küche fand sie einen Krug mit Wasser. Sie schenkte sich
einen Becher ein und trank ihn in hastigen Schlucken leer. Die
Trockenheit in ihrer Kehle verschwand. Die Unruhe, die der Traum
hervorgerufen hatte, blieb jedoch. An Schlaf war nicht zu denken.
    Manchmal,
so
hatte es Vater sie gelehrt,
schicken
uns die Götter Träume, um uns etwas zu sagen. Sie wollen
uns warnen ... oder etwas zeigen. Aber meistens verarbeiten wir im
Traum Erlebtes, und das Geträumte hat nichts weiter zu bedeuten.
Zu gerne hätte Anyún mit ihrem Vater über diesen
Traum gesprochen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals dem
Mann mit der Narbe begegnet zu sein. Und Lava hatte sie auch nie mit
eigenen Augen gesehen, nur in Vaters Büchern davon gelesen.
    Sie
schlich zurück in ihr Zimmer, zog ein einfaches dunkelgrünes
Gewand über und legte ihren erdfarbenen Umhang an. Als sie leise
das Haus verließ, wusste sie noch nicht, wohin sie gehen
sollte. Ein Blick zurück zeigte ihr, dass in dem zweistöckigen
Gebäude kein Licht brannte. Niemand hatte ihr Verschwinden
bemerkt.
    Ihr
Zuhause lag am westlichsten Rand von Sonnhafen. Sie entschied, nach
Osten zu gehen, in die Stadt hinein und nicht weiter westlich über
den kleinen Fluss und in den Wald. Keine Menschenseele war zu dieser
Stunde unterwegs in der beschaulichen Hauptstadt der Magier. Der
Marktplatz mit dem großen Brunnen bildete den Mittelpunkt
Sonnhafens. Hier verkauften am Tag Bauern und Händler ihre Waren
und Herolde verkündeten die offiziellen Neuigkeiten aus allen
Ecken der Insel, während die Marktbesucher leise die
Informationen austauschten, die eher inoffizieller Natur waren.
    Einsam
stand Anyún vor dem Brunnen der fünf Gottheiten. War der
Traum womöglich wirklich der Versuch der Götter, ihr etwas
mitzuteilen? Doch wieso ihr? Und wieso jetzt? Sie war erst sechzehn
Sommer jung. Hier auf der Insel der Magier war sie eine von vielen,
die versuchte, ihre magischen Fähigkeiten zu entwickeln. Und sie
war wirklich nicht die Begabteste.
    Ihr
Vater übte jeden Tag mit ihr und gab ihr zahlreiche Bücher,
aus denen sie Zaubersprüche und magische Gesten auswendig lernen
konnte. Seit vier Jahren lebte sie bei ihm und seiner Frau, ihrer
Stiefmutter. Anyún beherrschte die Grundbegriffe der Elemente.
Sie konnte ein Licht auf ihrer Hand erscheinen lassen, einen kleinen
Stein von der Stelle bewegen, mit einem Funken konnte sie ein
Lagerfeuer entzünden, es mit einem Lufthauch höher fackeln
lassen und es mit einem kleinen Schwall Wasser aus dem Nichts wieder
erlöschen lassen. Das war genau das, was jedes Kind auf dieser
Insel zustande brachte. In ihrem Alter aber sollte sie eines der
Elemente voll und ganz für sich entdeckt haben. Vater tröstete
sie damit, dass sie erst spät mit ihrer Ausbildung begonnen
hatte. Es war ihr sehr bewusst, dass sie es schwerer hatte, als
andere jungen Magier. Ihre leibliche Mutter besaß keinerlei
magische Kräfte. Und so war Anyún nur zur Hälfte
Magierin.
    Sie
sah auf zur Statue Alanwys, der Göttin der Sonne und des Lichts,
Mutter aller Götter. Alanwy blickte weise von ihrer erhobenen
Position auf sie herab. Die Zacken ihrer Krone waren wie
Sonnenstrahlen geformt.
    Zu
Alanwys Rechten stand Monwym, die Mondgöttin, den Blick auf das
Wasser im Brunnen gerichtet, das Haupt von einem weichfließenden
Schleier umgeben. Sie war die Herrin über das Wasser.
    Links
von Alanwy saß Wenwym, der Abendstern und Herr des Windes, den
Blick verträumt gen Himmel gerichtet.
    Zu
Alanwys Füßen saß Semja, Mutter Erde, Schöpferin
aller Menschen, Tiere und Pflanzen. Sie trug einen Blumenkranz im
gelockten Haar und hielt liebevoll ein Rehkitz in ihren Armen.
    Etwas
abseits der Gruppe stand Zarom in seinem Mantel der Nacht mit
aufgesetzter Kapuze. Anyún hatte stets das Gefühl, er
betrachte die anderen Götter mit Neid oder Eifersucht.
    Semeros
Tarzos, Anyúns Vater, war als Erdmagier der Göttin Semja
verbunden. Doch Anyún hatte die ersten zwölf Jahre ihres
Lebens in Dejia, der Hauptstadt Alantuas verbracht. Dort wurde
besonders die Sonnengöttin verehrt.
    Welcher
der Götter sollte ihr einen Traum geschickt
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