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Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
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und glättete sich, und der Teich schlief wieder ein, obwohl noch klingende Bläschen an die Oberfläche stiegen.
    Ljudmila von Gaggenau erschien nach langer Zeit beim Bischof zur Beichte. Verweint ging sie von ihm weg, mit geröteten, aber klaren Augen. Danach hatte Mitrofani auch ein längeres Gespräch mit dem Gouverneur, dem er zu verstehen gab, dass er keinen Grund habe, sich zu beunruhigen. Zwar hatte der Geistliche nicht das Beichtgeheimnis verletzt und auch mehr in Andeutungen gesprochen, dennoch erlegte er sich hinterher eine strenge Kirchenbuße auf.
    Berditschewski bat den Gouverneur um Nachsicht für den Polizeimeister Lagrange, erhielt aber eine Absage. Damit hätte er seine Dankespflicht als erfüllt ansehen können, doch er ging auch noch zum Bischof, ohne jede Hoffnung, einzig zur Beruhigung seines Gewissens. Mitrofani nahm die Fürsprache erstaunlicherweise mit Verständnis auf und sagte: »Man muss Lagrange nicht vor Gericht stellen. Auch nicht aus dem Dienst jagen. Ich denke, er ist kein verlorener Mensch. Er hätte es ja auch sehr einfach so arrangieren können, dass Murad dich umgebracht hätte, dann wäre er aus allem heraus gewesen. Richte ihm aus, dass ich mit dem Gouverneur rede.« Der Polizeimeister blieb im Amt und geht nun auch zum Bischof zur Beichte.
    Doch noch früher, direkt am Prozesstag, kam es zu einem Vorfall, der gesondert erwähnt werden muss.
    Als die Geschworenen sich zur Beratung zurückgezogen hatten und im Saal alle auf einmal losredeten, um ihre Eindrücke vom Prozess und ihre Vermutungen über den Urteilsspruch auszutauschen, meinte der Bischof es seiner Würde schuldig zu sein, sich dem Geschnatter zu entziehen, und suchte auf Einladung des Richters das Zimmer für Ehrengäste auf. Er bedeutete Schwester Pelagia, ihm zu folgen. Verdrossen schritt er durch den Korridor, blickte auf seine Füße und stieß den Bischofsstab zornig auf den Boden.
    Als sie unter vier Augen waren, küsste die Nonne dem Geistlichen schuldbewusst die Hand und sagte etwas konfus:
    »Ihr habt Recht, Vater, Bubenzow ist ein böser Mensch und eine Ausgeburt der Hölle. Jetzt kommt er frei, und obwohl seine synodale Karriere beendet ist, wird er noch viel Böses tun. Er besitzt eine große Kraft. Er wird seine Wunden lecken und von neuem Hass und Kummer säen. Aber man kann doch nicht Unrecht mit Unrecht ausrotten! Ich habe erst im allerletzten Moment begriffen, wie es wirklich war, sonst hätte ich unbedingt Euren Segen für meinen Auftritt erbeten. Genauer, ich hätte Euch gebeten, als Zeuge zu sprechen. Aber es war keine Zeit mehr, der Richter war schon im Begriff, sich an die Geschworenen zu wenden. Darum habe ich gesprochen. Nun ist es so gekommen, dass ich Euch vor aller Öffentlichkeit in ein ungünstiges Licht gestellt habe. Könnt Ihr mir verzeihen?«
    Sie blickte den Bischof ängstlich, fast verzweifelt an. Mitrofani stieß einen Stoßseufzer aus und strich seiner geistlichen Tochter über den Kopf.
    »Dass du mich als eitlen Dummkopf vorgeführt hast, geschieht mir ganz recht. Damit ich mir nicht zu viel einbilde. Und mir keinen fremden Lorbeer aneigne. Ich kenne diese sündhafte Schwäche an mir, und ich bin dafür gestraft worden. Aber das wäre halb so schlimm. Du beschämst mich, Pelagia, beschämst mich sehr. Und erschreckst mich. Wie gefällig alles aussieht, wenn man die Welt durch gefärbtes Glas betrachtet. Und man wählt die Farbe, die einem gefällt. Und dann erscheint dir dein persönlicher Feind plötzlich als Verbrecher und Feind des ganzen Menschengeschlechts, und dein Freund, auch wenn er noch so sündig ist, als lichter Engel. Mögen die Politiker die Welt durch gefärbte Gläser betrachten, ein Geistlicher darf das nicht. Für ihn muss das Glas farblos sein, und am besten wäre gar kein Glas . . .« Der Bischof wiegte bekümmert den Kopf. »Und dass man Böses nicht mit Bösem ausrotten kann, auch damit hast du Recht. Man würde nur das eine Übel durch ein anderes, noch größeres, ersetzen. Aber das Bubenzowsche Böse ist von ganz besonderer Art. Es vergeht sich nicht am Gesetz, sondern an der menschlichen Seele. Auf dem Gerichtsweg ist diesem Bösen nicht beizukommen, das vermag nur Gottes Kirche. Es ist die Pflicht der Kirche, über das Böse zu wachen und es zu entlarven.«
    Die Nonne fuhr zusammen und sagte hastig:
    »Aber ich denke, Vater, dass Gottes Kirche eine ganz andere Bestimmung hat. Dass es nicht notwendig ist, über das Böse zu wachen und es zu entlarven.
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