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Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
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wir, die wir hier leben, haben das alle gefühlt, der eine früher, der andere später. Ihr Mandant ist nicht einfach ein böser Mensch, er ist ein Diener des Bösen. Sein ganzes Leben, sein ganzes Benehmen legt davon Zeugnis ab. Ein gefährlicher Diener, denn er ist klug, gerissen, wendig, verwegen und schön. Ja, ja, schön. Der Teufel hat ihn mit einer honigsüßen Sprache, einer einlullenden Stimme, mit Macht über die Schwachen und vielen anderen Gaben ausgestattet.«
    Hier leistete sich Bubenzow ein starkes Stück: Er formte mit den Fingern hinter dem Rücken des Geistlichen zwei Hörner und streckte die Zunge heraus. Der eine und andere prustete, doch auf die meisten Anwesenden machte dieser Ausfall einen äußerst unangenehmen Eindruck.
    »Sehen wir uns diejenigen seiner Taten an, die nicht einmal Sie bestreiten können«, fuhr der Bischof fort, nach wie vor nur an den Anwalt gewandt. »Sie sagten, den Kaufmann Wonifatjew und seinen Sohn habe nicht er getötet, sondern sein Bedienter. Nehmen wir an, nehmen wir nur einmal an, dass es wirklich so ist. Dieses schlimme Verbrechen hat Bubenzow zum Vorwand genommen, um ein noch schlimmeres zu begehen: Er erhob eine falsche Anschuldigung gegen ein ganzes Volk, löste eine Welle des Hasses und der Intoleranz aus und veranstaltete eine schändliche und widerliche Jagd auf Andersgläubige. Und wie behandelte er Naina Telianowa? Er verführte sie, zerstörte ihr Leben und verhöhnte ihr zwar sündhaftes, doch aufrichtiges Gefühl. Und er hat sie nicht aus Liebe verführt, nicht einmal aus Leidenschaft, sondern aus einer flüchtigen Laune heraus oder, schlimmer noch, aus Eigennutz. Bubenzow hat Naina Telianowa willentlich oder unwillentlich zu widerwärtigen Taten und zur Mittäterschaft an einem ungeheuerlichen Mord angestiftet. Danach hat er sie getötet. Ja, ja, er hat Naina Telianowa, ihr Hausmädchen und den Künstler auf dem Gewissen.«
    Das konnte Lomejko nicht mehr dulden, denn er sah, was für eine Wirkung die Rede des Bischofs auf die Geschworenen hatte.
    »Aber erlauben Sie!«, schrie er und erhob sich. »Das meinen Sie im übertragenen Sinn, aber das Gesetz erkennt so etwas nicht an! Herr Vorsitzender, das ist eine Verletzung der Verfahrensregeln! Ich protestiere!«
    »Man kann es auch im direkten Sinne verstehen«, sagte Mitrofani bedeutend leiser. »Was hatten Sie denn für Argumente, mit denen Sie die Anklage zu entkräften versuchten? Der schmächtige Bubenzow hätte gar nicht die Kraft gehabt, Poggios Brust mit dem schweren Stativ zu durchbohren? Sie sprachen, wenn ich mich recht entsinne, von satanischer Kraft ‹ ? Ein sehr passender Ausdruck. Denn auch ich denke an satanische Kraft, wenn ich sehe, welch böse Energie und teuflische Unersättlichkeit Herr Bubenzow hier in unserem Gouvernement an den Tag gelegt hat. Ja, er ist feingliedrig und hager, aber Menschen von solcher Beschaffenheit verfügen bekanntlich über einen besonderen Vorrat an nervlicher Energie. Wut oder Raserei befähigt sie zu wahren Wundern an Kraft, was auch die medizinische Wissenschaft bestätigt. Aber warum in die Ferne schweifen.« Der Bischof tat, als sei ihm gerade erst ein treffendes Beispiel eingefallen. »Sie selbst haben das im vergangenen Jahr im Prozess gegen die Kleinbürgerin Baranowa sehr anschaulich beschrieben. Ihre Mandantin, eine siebzehnjährige Näherin, hatte mit bloßen Händen ihren Peiniger erwürgt und in der Hitze des Gefechts die achtundneunzig Kilogramm schwere Leiche sogar noch zum Teich geschleift. Ich habe in der Presse Ihr Plädoyer gelesen, das der Baranowa ein mildes Urteil eintrug. Erinnern Sie sich, dass Sie von › nervlicher Raserei ‹ sprachen?«
    Das war ein vernichtender Schlag, vor allem deshalb, weil er Lomejko völlig unverhofft traf. Wer hätte gedacht, dass ein Provinzgeistlicher so gut informiert war?
    Aber Mitrofani war schon weiter.
    »Da Sie die Materialien des Falls gelesen haben, ist Ihnen bekannt, dass jemand versuchte, die Nonne Pelagia Lissizyna zu ermorden, nachdem sie Naina Telianowas Anschlag auf die weißen Bulldoggen aufgedeckt hatte. Unter den Sachbeweisen sind ein Sack und ein Strick, die Tatwaffen. Bubenzow war bei der Entlarvung der Fürstin Telianowa zugegen, Murad Dshurajew jedoch nicht. Wenn Dshurajew der alleinige Mörder war, woher wusste er, dass Schwester Pelagia ihm gefährlich werden konnte?«
    Der Anwalt warf einen fragenden Blick auf Bubenzow – der zuckte nur die Achseln.
    »Und dann . . .« Mitrofani
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