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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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beide Hände gestützt, der Mittag rückt näher. Noch einmal waches Interesse vorzaubern, jetzt bist du da, einmal soll es dich packen. Goethe, Faust I , was macht das Grenzenlose mit dir? Gekonnt reden, ein wenig über das Maß, Mephisto ausstechen und gelinder Spott für Gretchen, das dumme. Dann Physik, wie treffen die Strahlen aufs Auge, Zeit zum Zeichnen, feine Ablenkung. Jetzt gut in der Kurve, Religion ausfallen lassen, statt dessen ein paar Punkte in Geographie, Beifall auf der Zielgeraden. Du schöner Mittag. Wieder zwei Zigaretten, und im Sommer zum Schwimmen. Die Frau ist ein Luxusgeschöpf und nichts zum Dranrühren. Lange Betrachtung des Himmels, kurzes Dämmern, dann rasches Durchforsten des gesamten Gehirns. Sich der Bestände versichern, Schulbücher, auf dem Rücken liegend, gegen die Sonne halten. Rasanter Wissenserwerb, Vermehrung der zentralen Ressourcen. Wieder abschalten, insgesamt Tao , Nachmittagsgelassenheit. Niemals plaudern,
erst recht nicht bei Telephonaten mit Blok. Abchecken, wieviel Energien dir noch geblieben sind, und daraus die richtigen Konsequenzen ziehen. Auf dem Rad für fünf Minuten das Letzte aus dir herausholen, entweder jemanden treffen oder allein gegen alle. Walters Vater beim Reintragen der Obstkisten helfen und die Hilfe mit einem Freibier quittieren lassen. Die Sinne an Abendphantasien anschließen und doch nur mit dem Rad durch die Stille, bis die Ernüchterung eintritt. Sich verabschieden, wann kommen wir wieder zusammen, und heim ins unscharfe Bild der um zwei Kinder vermehrten Ehe.
     
    Meist war Blok so gründlich vorbereitet, daß es sich lohnte, bei ihm abzuschreiben. Auf meine forschenden Blicke reagierte er nicht, er schrieb langsam, fast peinlich bedächtig, als habe er mehr Zeit als wir anderen. In Englisch war er der Beste von allen, mit seinen gewählten Wendungen verschaffte er sich selbst bei den Lehrern Respekt. Ich beneidete ihn um sein hexenhaftes Gedächtnis, einen kostbaren Speicher, den er exquisit fütterte. Seine Haare trug er nun länger, einen schwarzen Schopf mit einer einzelnen geflochtenen Strähne, gepflegt wie bei Pferden. Die Ferien durfte er bei einer befreundeten Familie in England verbringen; auf einer Karte grüßte er mich mit drei Worten, und als er zurückkam, sprach er sein flüssiges Englisch mit einem leichten Akzent.
    Zwei Wochen danach fuhr ich mit dem Rad das erste Mal zu ihm nach Hause. Ich mußte das Haus erst eine Weile suchen, der große Bungalow lag abseits, kaum noch verbunden mit der gerade entstandenen Siedlung. Blok hatte mich eingeladen, er öffnete auf mein Klingeln die Tür und führte mich in den kühlen Flur. Zu Hause war er viel nachlässiger gekleidet
als in der Schule; er ging barfuß, aber langsam und vorsichtig, als sei er nicht daran gewöhnt. Ich blieb neben ihm stehen, ich war ein wenig verlegen, es war die plötzliche Fremde, die sich um Blok herum auftat, der von Familiengerüchen vollgesogene Bau. Blok ging voran, und wir betraten einen großen, hellen Raum mit einer langen Fensterfront; draußen begann nicht weit entfernt schon der Wald, ein dichter, grüner Vorhang aus Kiefern und Lärchen.
    »Setz dich«, sagte Blok, »etwas zu trinken?«
    »Ein Glas Mineralwasser«, antwortete ich.
    Er verschwand kurz, ich hörte, wie in der Küche die Eiswürfel in die Spüle rasselten; dann kam er mit zwei Gläsern, dem Eis und einer Flasche Wasser zurück. Er nahm die kleine Eiszange und ließ je zwei Würfel in die Gläser springen.
    »Wir könnten das Wasser mit Whisky verdünnen«, sagte er.
    »Eine gute Idee.«
    »Jack Daniels ist am besten, oder was meinst du?«
    »Ich bin für Jack Daniels. «
    Er ging zu der dunkelbraunen Schrankwand an der Rückseite des Raumes und öffnete das Barfach; einen Moment überflog er die Sammlung, dann nahm er eine Flasche aus den hinteren Reihen. Sie war noch fast voll. Er schenkte uns ein, eine ordentliche Menge, als sei er es so gewöhnt. Dann etwas Wasser, die Gläser halbvoll.
    Wir stießen an, und er setzte das Glas mit einem nachprüfenden Blick auf die Flasche wieder ab.
    »Ich bin deinem Vater unterwegs begegnet«, sagte ich.
    »Ah ja? Frankie ist immer auf Tour. Sie können ihn nachts aus dem Bett holen, und er fährt zu einem Patienten, der gerade mal achtunddreißig Fieber hat. Wenn er auftaucht, verzieht sich jede Krankheit.«

    »Deine Mutter hab ich noch nie gesehen.«
    »Meine Mutter ist meine Mutter. Was willst du wissen? Es ist niemand zu Haus, wenn du das
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