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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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meinst.«
    »Ist das Haus nicht zu groß für euch drei?«
    »Es ist Frankies Haus, das hier ist sein Animiersalon. Schon der Flügel da drüben ist bestes Repräsentieren, ein Bösendorfer , Frankie hat ihn aus Bonn hergeschafft.«
    »Spielt er etwa darauf?«
    »Für die drei Stücke, die er beherrscht, hat der Bösendorfer die richtige Stimmung.«
    »Verstehst du was davon?«
    »Ich brauch nichts zu verstehen, ich hör’s einfach. Aber laß mal, es war eh nur ein joke .«
    Er hielt sein Glas in der Hand und fuhr daran mit zwei Fingern langsam auf und ab. Wir hatten uns schon nach den ersten Sätzen verrannt und saßen einander stumm gegenüber. Ich stellte mir vor, wie reizbar man in dieser Umgebung, in der man sich alles erst von weit her holen mußte, werden könnte; die Läufer kamen mir vor wie Heftpflaster, kreuz und quer auf den grauen, steinernen Boden geklebt. Auf dem Teewagen stand ein Telephon, eine kapriziöse Imitation, mit einem weißen Griff und goldenen Muscheln.
    »Du fühlst dich hier nicht wohl«, sagte Blok, »komm, wir gehen runter in mein Zimmer, ich will dir was zeigen. Bring unsere Gläser mit!«
    Wir standen auf, Blok füllte noch einmal Eiswürfel nach und nahm die beiden Flaschen. Vom Flur aus ging es hinab ins Souterrain, dann an einer Flucht von Türen entlang, die alle geschlossen waren.
    Blok deutete flüchtig mit dem Kopf darauf: »Frankies Photoatelier; er entwickelt und vergrößert seine Aufnahmen
selbst; und daneben ist das Trimmstudio, wenn es regnet, fährt er dort seine Etappen.«
    Bloks Zimmer war schmal und schmucklos, ohne ein einziges Bild an den Wänden. Ein kleiner Schreibtisch stand vor dem Fenster, daneben eine Stereo-Anlage mit zwei großen, schwarzen Lautsprecherboxen. Er setzte sich auf sein Bett und schob mir den Drehstuhl zu.
    »Trinken wir noch einen, bevor das Eis schmilzt«, sagte er. Ich hatte schon genug, doch eine unerklärliche Scheu hinderte mich, ihm zu widersprechen. Ich fühlte mich leicht erhitzt, wie ganz von innen her aufgepumpt, doch es war eine anregende, sanfte Empfindung, die einen mitriß und das Reden erleichterte. Blok erzählte von England, er ließ sich Zeit zwischen den Sätzen, und es war ein immer weiter ausholendes Sprechen in das allmähliche Dunkeln hinein.
    »So war’s«, sagte er schließlich, und plötzlich begriff ich, wie wichtig dieser Aufenthalt für ihn gewesen war. Es war ihm gelungen, alles hier zu vergessen, und er hatte sich nicht einmal nach Hause gesehnt. Die fremde Sprache war seine Chance gewesen, ein sensibles, exaktes Medium, das ihm ein zweites Leben ermöglicht hatte.
    Er schaltete die Schreibtischlampe ein und drehte den Lampenkopf zur Seite, damit uns das Licht nicht in die Augen stach. Ich hatte mehrere Gläser geleert, es war ein Taumeln am Rande des Wohlseins entlang; Blok erhob sich und legte eine Schallplatte auf.
    »Die hab ich mitgebracht«, sagte er. »Ich wollte, daß du sie hörst. Es sind Opernarien, von der Callas gesungen.«
    Er setzte sich im Schneidersitz wieder aufs Bett und blickte starr zum Fenster hinaus, als finde dort draußen die Aufführung statt. Es begann mit der bekannten Arie aus Carmen , ich
schaute auf der Plattenhülle nach, l’amour est un oiseau rebelle. Das Stück hatte etwas Reißerisches, Trotziges, und die kräftige, metallische Stimme verwandelte den engen Raum in eine weite Halle. Wir saßen für die Dauer der ganzen Plattenseite fast unbeweglich, all diese Arien kamen mir vor wie Ausbrüche einer extremen Psyche, die sich in manischen Gebärden erschöpfte.
    »Zyklothymie«, sagte Blok und legte die andere Seite auf.
    »Was ist das?«
    »Zirkuläre Schwankungen, Raserei und Depression. Hast du mal ein Photo von ihr und Onassis gesehen?«
    Während die Musik wieder einsetzte, suchte er ein Buch heraus und zeigte mir das Bild. Sie saßen nebeneinander. In der Nähe des kräftigen Mannes mit den langgezogenen, dunklen Brauen wirkte die Callas wie ein scheuer Vogel.
    »Wußtest du, daß sie ihm hörig war?« fragte Blok.
    »Nein«, antwortete ich.
    »Er konnte mit ihr machen, was er wollte, ihre Rollen verschmolzen in der Liebe zu ihm.«
    Wir hörten wieder zu, diese dramatischen Szenen wirkten furchterregend, und sie wühlten einen so auf, daß man sich nach einer schlichten Einfachheit sehnte. Doch die Stimme krallte sich in einem fest, markig und bitter, als gäbe es nur dieses eine, überspannte Beharren.
    Blok lag mit geschlossenen Augen auf seinem Bett, steif und
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