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Agenten lieben gefährlichen

Agenten lieben gefährlichen

Titel: Agenten lieben gefährlichen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einem Land geboren, das sich zu einem Schmelztigel der Rassen entwickelt hatte. So wurde Campofolio Wissenschaftler und erst im Zweitberuf Sänger. Der Expedition Ellens hatte er sich schon in Manaus angeschlossen, weil auch ihn die unbekannten Wilden am Rio Tefé und Rio Juma reizten. Durch Schädelmessungen wollte er das Alter dieser Menschenrasse bestimmen und darüber ein kluges Buch schreiben.
    Der dritte auf dem Boot war Rafael Palma, ein Mulatte. Ihn hatte Ellen als Koch mitgenommen. Palma war ein Genie am Kochtopf. Aus alten Hammeln machte er die weichsten Braten, die Lenden wilder Schweine würzte er wie kein Koch im Riz von Paris, und seine Salate – nur Palma wußte, woraus sie gemacht waren – schmeckten wie konzentrierter Frühling in Essig und Öl. Für ihn war das Verschwinden des Küchenzeltes ein halber Weltuntergang. Er war, gleich nachdem Alexander Jesus den Diebstahl entdeckt hatte, in dem Drecknest Tefé herumgerannt und hatte neue Töpfe und Pfannen gekauft, Krüge und Schüsseln, Teller, Tassen und Bestecke, aber ein Zelt war nicht mehr aufzutreiben gewesen. Wer schläft schon in Tefé unter Leinwand!
    »Es wird auch so gehen, Señorita!« rief Palma, als Ellen am Bootssteg erschien. »Bauen wir eben eine Blätterhütte, ganz nach Landessitte. Ist auch besser für das Kochen. Rauch zieht schneller ab. Der Satan hole den Dieb!«
    Etwas abseits, auf einem Holzstamm am Ufer des Sees, saß der vierte Mann der Expedition, Gaio Moco.
    Moco war ein merkwürdiger Fall. Er war ein reinrassiger Indio aus dem Gebiet von Juma und Itanhaua, also aus der Gegend, in die Ellens Vorstoß führen sollte. Eines Tages war er aus dem unbekannten Urwald aufgetaucht, den Körper voll Spuren der Kämpfe mit wilden Tieren. Er hatte nur einen Speer bei sich gehabt und um die Hüften einen Schurz aus großen Blättern. Als er aus dem dunstigen Halbdunkel des Waldes getreten war, hatte er seinen Speer auf den Boden gelegt, beide Hände zum Himmel erhoben und so die Zivilisation betreten. Das war drei Jahre her.
    Der einzige Missionar in diesem Gebiet – er lebte auf der Insel Pananim, mitten im breiten Amazonas – hatte ihn aufgenommen, ihn in der portugiesischen Sprache unterrichtet, nach einem Jahr getauft und war dabei zu dem Resultat gekommen, nie einen besseren Menschen gesehen zu haben als Gaio Moco. Das war sein Name, wie er ihn selber angegeben hatte. Mehr wußte niemand von ihm.
    Warum er aus den unergründlichen Tiefen seines Waldes hervorgekommen war, erzählt er nie. Er war still, immer höflich, aber er lebte gern allein, abseits von den anderen. Ein junger Mensch, der manchmal träumend hinüber zur Wand des Urwaldes blickte, als habe er Heimweh.
    Gaio Moco war sofort bereit gewesen, als Dolmetscher mitzuziehen, als man in Tefé von der Expedition hörte. Der Missionar segnete ihn und gab ihm ein kleines silbernes Kreuz mit. Er ahnte, daß er Moco nicht wiedersehen würde. Gaio aber hängte sich das Kruzifix um den braunroten Hals.
    »Wo ist José?« fragte Ellen und sah sich um. Moco zeigte irgendwohin in das Urwalddorf.
    »Bei der Post, hat er gesagt, Señorita.« Er hatte eine tiefe, klangvolle Stimme. Sein Blick glitt über das Boot, und die schwarzen Augen glänzten dabei. »Fahren wir morgen?«
    »Ja. Bei Sonnenaufgang, Moco. Ich glaube, du bist außer mir der einzige, der sich freut.«
    »Ich werde Ynama wiedersehen«, sagte Moco sinnend.
    »Wer ist Ynama?«
    »Ein Mädchen.« Der Indio erhob sich und ging langsam am Ufer des Sees entlang. Ellen sah ihm nach und fuhr sich mit beiden Händen durch die kurzgeschnittenen Haare. Ein Mädchen. Er träumt von einem Mädchen. Seit drei Jahren. Irgendwo dort in der grünen Weite lebt es … klein, braunhäutig, mit langen, schwarzen Haaren, nackt wie im Paradies. Warum war Moco aus dem Wald geflüchtet?
    Sie ging zum Boot zurück, wo Alexander Jesus einen lauten Streit mit Rafael Palma hatte. Palma hatte einen Berg von Töpfen am Ufer liegen und verlangte Platz für seine Kücheneinrichtung. Das war unmöglich, denn das flache, breite Boot war bereits jetzt voll mit Kisten und Säcken. Wo die acht Menschen noch sitzen sollten, war für Ellen ein Rätsel. Der einzige, der sich keine Sorgen darüber machte, war Alexander Jesus.
    Unterdessen stand José Cascal in dem kleinen Raum der Poststation und telefonierte mit jemandem in Manaus. Der Posthalter lag erschöpft in der Ecke, trank Eiswasser und rauchte eine dicke, grüne Zigarre. Seit vierzehn Jahren
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