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AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

Titel: AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
Autoren: Gerhard Jelinek
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Überheblichkeit begegnet und die Konventionen bricht, weil eine junge Frau über größeren Reichtum verfügt als die Weltmacht der römischen Republik.
    Kleopatra ist eine einzige Provokation für die Spießbürger in Rom, das vier Jahrzehnte vor der Geburt von Jesus Christus und aus der Sicht einer Königin, die sich in einer direkten Ahnenlinie zu Alexander dem Großen wähnen kann, ein ziemlich chaotisches Provinznest ist. Das Kolosseum ist noch längst nicht errichtet, das Pantheon nicht einmal eine Idee, die Caracalla-Thermen bleiben späteren Jahrhunderten vorbehalten, die Kaiserpaläste sind unerbaut und Stadtplanung (da trifft sich das antike Rom mit der Gegenwart) unbekannt. Roms Straßen sind eng, verwinkelt, schmutzig, laut und stinkend. Das Forum erinnert noch immer an die Kuhweide, die es war. Dabei betrachten sich die römische Republik und die Stadt auf den berühmten sieben Hügeln als Nabel der Welt. Dank der erfolgreichen Kriegstechnik der römischen Legionen hat Rom zur Zeit Cäsars die Macht im Mittelmeerraum erkämpft. Wichtige Technologien haben die römischen Stämme von den geheimnisvollen Etruskern übernommen. Die Stärke des jungen Gemeinwesens, das sich da von Mittelitalien aus anschickt, die Welt (zumindest jenen Teil, den die Römer damals gekannt haben) zu erobern, liegt in der Organisationskraft, in der praktischen Anwendung von Erfindungen anderer und in einer militärischen Disziplin, die nicht besonders sympathisch, aber erfolgreich ist.
    Kulturell spielt die Stadt am Tiber eine Nebenrolle. Alexandria ist das Paris der Antike, größer, schöner, kosmopolitischer und viel reicher als Rom. Und in und über Alexandria herrschen die Abkommen jener Feldherren, die Alexander den Großen beerben durften: die Ptolemäer. Kleopatra stammt aus altem makedonischen Adel. Die Personifikation der ägyptischen Herrscherin ist daher Griechin, spricht griechisch und lebt eine griechische Kultur, die im ersten Jahrhundert vor der Geburt eines jüdischen Sektenführers, der später als Jesus Christus eine weltumspannende Religion gründen sollte, ihren klassischen Höhepunkt längst überschritten hat. Ein bisschen zynisch kann die Zeit des „Hellenismus“ als „griechisches Zeitalter, in dem die Griechen keine Rolle spielten“ definiert werden. Gerhard Dobesch schreibt über die beginnende römische Kaiserzeit und den Niedergang des griechisch dominierten Ostens: „Das komplizierte Machtgefüge des Hellenismus brach vor Rom wie ein Kartenhaus zusammen. Der Hellenismus selbst erwies sich als äußerst überlebensfähig.“ Kleopatra war eine der letzten hellenistischen Herrscherinnen, die mitspielen wollte, die eine ptolemäische Herrschaft in einem ägyptischen Großreich sichern wollte. Den Preis dafür zahlte sie an die Schutzmacht Rom.
    Diese Epoche wird einst mit unserer europäischen Gegenwart verglichen werden. Verfeinerte Kultur, Lebensart, Mode, Stil und Literatur werden in Paris, London und New York gelebt. Die wirtschaftliche und politische Macht aber konzentriert sich in den „neuen Roms“, die Peking oder Shanghai heißen.
    Kleopatra war ein Kind des Hellenismus. Sie wurde etwa 69 v. Chr. als dritte Tochter des Ptolemaios XII. Auletes geboren. Sie hatte auch zwei Halbschwestern, die über Ägypten herrschten, Berenike IV. und Arsinoë IV. Letztere war nach einem Staatsstreich gegen ihren Vater an die Macht gekommen. Familienmitglieder wurden in diesen Kreisen als Konkurrenten um Macht und Geld, als potenzielle Mörder oder zu Ermordende eingestuft. Es ging in diesen Herrscherfamilien drunter und drüber.
    Als Julius Cäsar im Jahr 47 v. Chr. Ägypten eroberte, versuchte Kleopatra ihre Machtstellung unter seiner Protektion zu erhalten – oder vielmehr wiederzuerlangen. Dafür war der 21-Jährigen jedes Mittel recht, denn ihre Chancen standen schlecht. Sie war vor ihrem Bruder und seiner Armee in die Syrische Wüste geflüchtet, lebte in einem schäbigen Zelt, unterstützt von einer Söldnerbande, weit weg vom Luxusleben eines Palastes. Sie hatte die Regentschaft mit ihrem gerade erst 13-jährigen Bruder teilen müssen, mit dem Kleopatra auch noch verheiratet worden war. Die Familienverhältnisse in diesen fernen Zeiten sind eigentümlich.
    Die doppelten Bande verhinderten aber keineswegs, dass die Berater ihres Ehemann-Bruders – er hieß praktischerweise auch Ptolemaios, genauer der Dreizehnte – Kleopatra als höchst überflüssige Mitregentin einstuften und sie sich der
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