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AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

Titel: AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
Autoren: Gerhard Jelinek
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anlegen, um seine Eva (seine Lilith) und viele Nachkommen zu ernähren. Mit dem Ackerbau beginnt eine neue Kultur.
    Das Paradies der Sumerer war konkret ausgeformt: Eine Kulturlandschaft, wie sie Jean-Jacques Rousseau gemalt haben könnte. „Rein, sauber, hell“ soll der Garten Eden sein, seine Bewohner, auch die gewalttätigsten, sind friedlich. Der Löwe tötet nicht und der Wolf raubt kein Schaf. Die Beschreibung dieser paradiesischen Zustände ist älter als die Schöpfungsgeschichte der Bibel, viel älter. Das Alte Testament ist also abgeschrieben? Nein, das Heilige Buch der Juden und der Christen belegt die ungebrochene mündliche Tradition uralter Mythen. Die Texte, die heute als Altes Testament gelten, wurden rund 900 Jahre vor Christi Geburt erzählt und erst viel später in Alexandria niedergeschrieben. Für Gläubige zweier Weltreligionen stellen sie das Wort Gottes oder zumindest die Wahrheit dar, andere bewundern die Bibel als literarisches Werk höchsten Ranges.
    Die biblische Erzählung gehört zum abendländischen Basiswissen. Wer die Geschichte von Adam, Eva, dem Apfel und der Schlange nicht im Buch Genesis gelesen hat, der kennt die Geschichte – und sei es nur aus der Kunstgeschichte, in der das Bild von Mann, Frau, Apfelbaum und böser Schlange zu den Stereotypen der Malerei und Bildhauerei zählt.
    Adam und Eva – so weit folgt die Genesis den älteren sumerischen Dichtungen – leben im Garten Eden. Es geht ihnen gut, keine Rede von Streit. Lilith, die Vorgängerin Evas, kommt gar nicht vor, sie ist aus dem biblischen Blickwinkel verschwunden. Eva dürfte sich aber ein wenig gelangweilt haben. Denn im Gegensatz zum sumerischen Mythos erzählt die Bibel nichts vom Geschlechtsleben. Adam, der aus Erde Gemachte, und seine Eva sind – bis zum „Sündenfall“ – kinderlos.
    Sie kennen keine Lust, keine Scham, sie vermehren sich nicht, sie sind nach Gottes Ebenbild gemacht. Sie sind eigentlich noch keine Menschen in unserem heutigen Sinn. Um sich von Gott zu unterscheiden, bedarf es des Fehlers, des Widerspruchs, des Ungehorsams, vor allem der Sterblichkeit.
    Der Mensch wird zum Menschen, indem er eigenständigen Willen zeigt. Und es ist die Frau, die den ersten Schritt weg vom Gott-Ähnlichen zum Menschen macht. Sie will vom Baum der Erkenntnis naschen. Die Schlange als Symbol für das Böse, den Teufel, braucht es dazu gar nicht. Sie wird als Ausrede ins Bild gerückt. Eva will das Verbotene tun. Sie beißt in eine Feige, denn um einen Feigenbaum wird es sich wohl gehandelt haben. „Malus“ – das Böse – steht nur im Lateinischen für „Apfel“. Es ist der Baum des Bösen, an dem die verbotenen Früchte wachsen, und es ist – welche Gleichsetzung – auch der Baum der Erkenntnis. Wissen kann zur Auflehnung gegen Gott führen. Wird der Mensch zu klug, zu besserwisserisch, lehnt er sich gegen Gott auf, dann folgt die Strafe auf den Fuß. Adam und Eva werden aus dem Paradies vertrieben – sie beginnen als Menschen zu leben. Sie lernen Angst und Leiden, Lust und Freude kennen. Sie beginnen zu lieben und sich zu vermehren. Es gibt paradiesische Momente, aber auch teuflisches Leid. Und es gibt den Tod.
    Schuld an dem Schlamassel hat die Frau. Adam, der wiederum nicht souverän reagiert, schiebt alles auf Eva, und diese bezichtigt die Schlange. Gott reagiert empört und vertreibt die beiden aus dem Garten Eden. Adam muss fortan als Bauer den kargen Boden bearbeiten und Feldfrüchte fürs Überleben der Menschheit anbauen. In den Worten aus Genesis 3,19 (Luther-Bibel 1545): „Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.“
    Eva erlebt in der Sünde Lust, muss aber unter Schmerzen Kinder auf die Welt bringen. Erst nach dem Griff zum Baum der Erkenntnis beginnt das Bevölkerungswachstum. Das erste Paar zeugt drei Söhne, Kain, Abel und Set, außerdem eine nicht genau bezifferte Zahl an Töchtern und einige unbekannte Söhne. Da Adam das fürwahr „biblische“ Alter von 930 Jahren erreicht, kann er die Weltbevölkerung schon in erster Generation deutlich steigern.
    Lilith erlebt – geschätzte 6000 Jahre nach ihrer Schöpfung – eine ungeahnte Wiedergeburt. Die sumerische Figur der ersten Frau, die von Adam gleichberechtigt und selbstbewusst ihre Rechte einfordert, wird zu einer Ikone des Feminismus. Während die biblische Eva in einer patriarchalischen Tradition steht, symbolisiert Lilith die Selbstständigkeit der Frau und ihren Widerstand gegen männliche Unterdrückung.
    Dabei
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