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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum
Autoren: Andrea Bottlinger
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kurz darauf sah sie sich einem Wald von Gewehrläufen gegenüber.
    Jedes Gefühl wich aus ihrem Körper. Dies war ihr Erschießungskommando. Die Erkenntnis, dass sie tatsächlich sterben würde, lähmte sie. Ob es weh tat, wenn man von Kugeln durchsiebt wurde?
    Es war Narbengesicht selbst, der schließlich seine Waffe hob und auf Roman anlegte. Sein kaltes Lächeln ließ die weißen und roten Linien in seinem Gesicht tanzen. Da war kein Bedauern in seinem Gesicht, kein Zögern, kein Mitleid. Gleich würde er abdrücken. Ohne mit der Wimper zu zucken.
    Instinktiv trat Amanda vor und schob sich zwischen die Mündungen der Waffen und die reglose Gestalt ihres Bruders. Verzweifelt suchte sie den Blick des Hausherrn. »Bitte, es gibt sicher irgendetwas, das wir für Sie tun können …«
    Doch der Mann im Smoking winkte ab, als verscheuche er ein lästiges Insekt. »Einbrecher gibt es wie Sand am Meer. Ich habe mehr als genug in meinen Diensten.« Dann wandte er sich an Narbengesicht. »Also, Daniel … Ich habe nicht den ganzen Abend Zeit.«
    Es war vorbei. Amanda schloss die Augen, suchte fieberhaft nach einem Ausweg und fand ihn nicht. Dann kam der Zorn, vermischte sich mit Verzweiflung und Furcht zu einem Strudel, der jeden anderen Gedanken hinwegfegte. Sie wollte aufgeben, einfach mit ihrem Leben abschließen, nun, da es ohnehin keine Hoffnung mehr gab. Aber sie konnte nicht. Vor allem konnte sie nicht zulassen, dass Roman starb.
    Der Strudel der Gefühle formte sich in ihrem Inneren zu einem glühenden Ball, wuchs mit jedem Atemzug und gewann an Helligkeit und Kraft. Mit plötzlicher Klarheit hörte sie die leisen Geräusche, mit denen die Männer die Abzüge ihrer Gewehre zurückzogen. Ihr ganzer Körper spannte sich in Erwartung der einschlagenden Kugeln.
    Dann brach sich das Glühen in ihrem Inneren Bahn, fuhr aus ihr heraus und schleuderte den Wachleuten ihre hilflose Wut entgegen.
    Ein Schrei, dann ein zweiter, eine Kakophonie aus Schreien. Mit schmerzerfüllten Gesichtern ließen die Männer ihre Gewehre fallen. Amanda ahnte, dass sie es war, die den Männern Schmerzen zufügte, doch sie verstand es nicht. Wo kam diese Kraft her?
    Entsetzt starrten die Wachleute auf ihre verbrannten Handflächen. Gewehrläufe verbogen sich, als wären sie aus Gummi. Plastik bildete schimmernde Lachen auf dem Boden, und ein stechender Gestank stieg Amanda in die Nase. Sie lächelte grimmig. Niemand würde Roman mit diesen Waffen noch etwas antun.
    Doch so schnell, wie die Kraft gekommen war, verschwand sie auch wieder. Ihre Knie gaben nach, und sie fiel neben ihrem Bruder auf den Boden.
    Eine Weile lauschte sie einfach nur ihren eigenen Atemzügen und wartete darauf, dass das Pochen in ihrem Schädel nachließ. Was hatte sie gerade getan? Wie hatte sie es getan? Und vor allem: Konnte sie es wieder tun? Sie horchte in sich hinein, doch das Gefühl der Macht, das sie so unvermittelt erfüllt hatte, war verschwunden.
    Erst als sich Schritte näherten, sah sie auf.
    Der Hausherr blickte auf sie hinab. Die Gleichgültigkeit in seinem Blick war Interesse gewichen. »Ich korrigiere mich. Es gibt doch etwas, das du für mich tun kannst.« Ein Lächeln umspielte seine Züge wie das Zähnefletschen eines hungrigen Raubtiers. »Mein Name ist Balthasar, und von nun an gehörst du mir.«

1
    S taub tanzte im Licht von Juls Taschenlampe. Es riss einen schmalen Streifen des schotterbedeckten Gleisbetts aus der Dunkelheit des U-Bahn-Tunnels, glitt über rostige Schienen, Schutt, eine alte Cola-Dose …
    Wo war das Biest? Jul lauschte angestrengt, versenkte sich ganz in den Augenblick, bis es nichts anderes mehr gab. Für einen Moment war es wie früher, nichts als angespannte Konzentration und die Sicherheit, das Richtige zu tun.
    Da! Blitzende Zähne, Krallen und dreckig-gelbe Schuppen. Fauchend stieß sich der Dämon ab, flog auf ihn zu. Kalt floss das blaue Feuer durch Juls Körper, tanzte über den Lauf der Pistole.
    Der Schuss knallte. Die Kugel zog eine blaue Flammenspur durch die Dunkelheit, schlug in den Leib des Dämons. Jul roch versengtes Fleisch, als das Wesen dicht vor seinen Füßen auf den schuttübersäten Boden klatschte. Noch einmal zuckte der lange Schwanz mit der sichelförmigen Klinge. Dann blieb das Biest reglos liegen. Ein rattengroßer Haufen Schuppen mit einem tiefen Brandloch im Kopf.
    Instinktiv sah sich Jul nach den anderen Mitgliedern der Schar um, wollte den Tod eines weiteren Dämons melden.
    Im nächsten
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