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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum
Autoren: Andrea Bottlinger
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Augenblick hielt er inne. Die Ruhe der Jagd wich schmerzhafter Leere. Keiner der anderen begleitete ihn mehr auf seinen Streifzügen. Er war allein.
    »Gute Arbeit.« Die Stimme erklang so dicht hinter ihm, dass Jul herumfuhr. Seine Rückenmuskulatur zuckte, als er automatisch versuchte, die Schwingen auszubreiten. Doch da war nichts mehr, das er hätte ausbreiten können. Er biss die Zähne zusammen. War es nicht schlimm genug, dass sie fort waren? Mussten seine eigenen Reflexe ihn immer wieder daran erinnern?
    Mühsam schob er das Gefühl des Verlusts beiseite und wandte sich seinem Auftraggeber zu. Ein seltsamer Mensch, dieser Mann vom Senat. Stieg im Anzug mit Bügelfalte in die Berliner Unterwelt hinab, um zuzusehen, wie jemand Ungeziefer tötete.
    Der Senator blinzelte gegen das Licht der Taschenlampe und setzte ein geschäftsmännisches Lächeln auf. »Ich denke, hiermit können Sie sich als Angestellter der Stadt betrachten. Sorgen Sie dafür, dass diese Plage unter Kontrolle bleibt. Und vor allem, schweigen Sie darüber. Wir würden es sehr begrüßen, wenn Berichte über Monster in der Berliner Unterwelt weiterhin nur in den Schundblättern stünden.«
    Jul nickte, ohne das Lächeln zu erwidern. Er brauchte Geld, wenn er sich nicht weiterhin von Karin durchfüttern lassen wollte. Aber er mochte den Mann nicht. Er war zwar ohne Zweifel ein Mensch, aber er stank nach Dämon – nach den großen, die es nicht nötig hatten, sich im Schutt zu verstecken.
    Sein Auftraggeber ließ sich nicht beirren. »Aber ich wollte mich auch aus privaten Gründen von Ihrer Effizienz überzeugen.« In einer routinierten Bewegung zog er eine Visitenkarte aus der Innentasche seines Jacketts. »Sie wissen ja, offizielle Stellen zahlen nie so gut. Was halten Sie davon, nebenher auch noch für jemand anderen zu arbeiten?«
    »Wenig.« Jul beäugte das Kärtchen skeptisch, machte keine Anstalten, danach zu greifen. Für die Stadt Ungeziefer zu beseitigen, das war eine Sache, aber er hatte keine Lust, an die falsche Sorte Auftraggeber zu geraten. »Ich bin …«
    Jul sah die Bewegung nur aus dem Augenwinkel. Sofort übernahmen seine Reflexe die Kontrolle. Mit einer Warnung auf den Lippen sprang er zurück – und erstarrte. Der Schotter unter dem Dämon flimmerte, schlug Wellen, als wollten die Steine schmelzen.
    »Was …?«
    Erneut ging ein Zucken durch den schuppigen Kadaver. Jul zielte, schoss. Im selben Moment zischte der Schwanz des Wesens durch die Luft. Der Senator schrie, während sich eine weitere von blauen Flammen umhüllte Kugel in den Kopf des Dämons grub.
    Als Jul sich umwandte, glänzte Blut im Schein der Taschenlampe, sickerte in den dunklen Stoff der teuren Hose. Der Senator kniete am Boden, starrte fassungslos auf das sichelförmige Ende des Dämonenschwanzes hinab, das in seinem Oberschenkel steckte.
    Wie hatte das passieren können? Der Dämon war tot gewesen! Das blaue Feuer brannte bei seinesgleichen Wunden, die keine Macht der Welt heilen konnte. Doch nun prangte nur ein Loch im Schädel des Wesens. Jenes, das Jul soeben erst geschossen hatte. Als hätte es die erste tödliche Verletzung nie gegeben.
    Aber er hatte den Dämon beim ersten Mal getroffen! Er hatte ihn getötet, dessen war er sich hundertprozentig sicher. Juls Blick huschte zu der Stelle, an der er das Flimmern gesehen hatte, aber da war nun nichts als normaler Schotter.
    Hinter ihm wimmerte der Senator leise. Jul schüttelte irritiert den Kopf, schob die Pistole in das Halfter unter seiner Jeansjacke zurück und ging neben dem Menschen in die Hocke. Die Taschenlampe rammte er mit dem hinteren Ende in den Schotteruntergrund, so dass ihr Lichtkegel an die Decke strahlte.
    »Stillhalten.« Er packte die knöcherne Sichel mit Daumen und Zeigefinger und zog. Der Mann wandte den Blick ab, sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. Juls Bewegungen wurden behutsamer, vorsichtiger, während er das scharfkantige Knochenstück aus dem Fleisch des Senators entfernte. Mitleid, fuhr es ihm durch den Kopf. Er hatte nicht gewusst, dass man Mitleid auch mit Wesen empfinden konnte, die man nicht mochte. Aber er begann auch gerade erst, all diese Konzepte zu verstehen. Seit er Karin kannte, ging es leichter. Aber es war noch immer schwer. Trotz der Jahre ohne seine Schwingen.
    Mit leisem Klappern fiel das Schwanzende des Dämons zu Boden. Jul legte zwei Finger neben die Wunde und konzentrierte sich. Ein blauer Schein flackerte auf, spülte warm durch seine
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