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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum
Autoren: Andrea Bottlinger
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einem Gurt über seiner Schulter, und als sich seine Lippen zu einem Lächeln verzerrten, vollführten die unzähligen kleinen Narben in seinem Gesicht einen abstoßenden Tanz.
    Instinktiv wich sie zurück, doch der Mann packte sie fest am Oberarm und schob mit geübter Bewegung die Ärmel ihres Sweatshirts hoch. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen fand er nicht, was er suchte. Grob griff er nach ihrem Kinn, drehte ihr Gesicht von einer Seite zur anderen, strich ihr Haar beiseite und begutachtete ihren Nacken. Sie zuckte unter jeder seiner Berührungen zusammen, wagte aber nicht, sich zu wehren. Wenn diese Kerle nicht fanden, was sie suchten, ließen sie sie ja vielleicht gehen oder übergaben sie zumindest nur der Polizei. Mit einem Mal erschienen ihr ein paar Jahre Gefängnis wie eine wunderbare Aussicht. Sicher saß man für Einbruch nicht mal sonderlich lang.
    Unvermittelt griff der Typ mit dem Narbengesicht nach dem Saum ihres Sweatshirts und zog ihn mit einem Ruck nach oben. Amanda erstarrte. Kühl strich die feuchte Kellerluft über ihre nackte Haut, wie von fern hörte sie einen der Bewaffneten pfeifen. »Zieh sie am besten ganz aus. Um sicherzugehen. Du weißt schon.«
    Der anzügliche Tonfall zerriss den Schleier der Angst, der sie umfing. So leicht würde sie sich nicht einschüchtern lassen. Zornig hob sie den Blick und fixierte einen der Männer, der sie breit grinsend musterte. Liebend gern hätte sie dem Arschloch das Knie zwischen die Beine gerammt. Nur die unzähligen Waffen, die auf sie gerichtet waren, hielten sie davon ab.
    Schließlich war es Roman, der handelte. »Finger weg von meiner Schwester!«
    Sie hörte einen dumpfen Aufprall, dann ersticktes Ächzen. Ihr Bruder hatte einem seiner Bewacher den Ellbogen in den Magen gerammt. Dem zweiten trat er gegen das Knie und erntete einen schmerzerfüllten Schrei.
    »Roman, nicht!« Er würde erschossen werden, gleich würden Schüsse durch den kahlen Kellerraum hallen! Verzweifelt wand sich Amanda im Griff des Narbenmannes. Sie musste Roman zu Hilfe zu kommen. Irgendwie.
    Wenige Sekunden später sauste ein Gewehrkolben auf Romans Hinterkopf nieder. Wie eine Marionette mit durchschnittenen Fäden fiel er zu Boden.
    Narbengesicht sagte irgendetwas, doch Amanda konnte nur die reglose Gestalt ihres Bruders anstarren. Hatte der Schlag ihn getötet? Atmete er noch? Da! Seine Brust hob sich, senkte sich und hob sich wieder. Er lebte!
    »Was ist hier los?« Die Stimme peitschte mit absoluter Befehlsgewalt durch den Raum. Amanda zuckte zusammen und spürte zugleich, wie sich das Narbengesicht hinter ihr versteifte – ganz so, als hätte er Angst. Im Türrahmen stand ein Mann in Abendgarderobe. In dem Aufzug hätte er gut in ein Casino gepasst, in diesem Keller dagegen wirkte er deplaziert. Er trug das Haar lang, aber zurückgebunden, und zwischen seinen Brauen stand eine steile Falte.
    »Nur zwei Einbrecher«, erwiderte Narbengesicht zackig. Es fehlte lediglich das »Sir« am Ende. »Sie hatten es auf die Sachen in der Bibliothek abgesehen. Wir haben keine Tattoos gefunden, sie scheinen keinem Dämon zu dienen.«
    Dämon? War das ein Codewort für irgendwas? Noch ehe Amanda länger darüber nachdenken konnte, winkte der Mann im Anzug – vermutlich der Hausherr – gelangweilt ab.
    »Ich ahne, wer sie geschickt hat. Dieser Japaner hat mir ziemlich penetrante Kaufangebote für die Goldstatuette gemacht.« Nachdenklich strich er sich über das Kinn. »Ich habe keine Lust, mich in ein paar Wochen mit einem neuen Einbruchsversuch herumzuschlagen. Erschießt sie. Und lasst ihn wissen, dass sie tot sind. Das sollte als Warnung ausreichen.«
    Amanda wurde kalt. Wie beiläufig dieser Mann über ihren Tod entschied. Als wären sie und Roman nichts weiter als lästige Fliegen. Irgendwie musste sie ihn umstimmen, ihn davon überzeugen, dass sie ihm lebend mehr nützten als tot. Doch ihre Kehle war trocken, und sie brachte kein Wort heraus. Sie räusperte sich. »Sie müssen das nicht tun.« Ihre Stimme klang fremd in ihren Ohren. »Wir können unseren Auftraggeber davon überzeugen, dass er Sie in Ruhe lässt. Wir sagen auch allen unseren Kollegen, dass Ihr Haus tabu ist. Kein Problem. Wir …«
    Ohne auf ihre Worte zu achten, stieß Narbengesicht sie auf ihren noch immer reglos am Boden liegenden Bruder zu. Amanda taumelte, stolperte und fing sich schließlich an der Wand ab. Die beiden Wachmänner, gegen die Roman gekämpft hatte, zogen sich zurück, und
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