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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman
Autoren: Heyne
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seinen und sagte leise: »Dort sind die anderen, mit … Raffaele.«
    Die Stille löste sich auf, als die Personen bei den Säulen die Neuankömmlinge bemerkten. Vier Erwachsene standen dort, drei Männer und eine Frau, und ein Rauschen ging von ihnen aus, wie die Stimme des Winds in hohen Baumwipfeln, begleitet von der Brandung eines Ozeans. Krystek öffnete den Mund, und ein kurzer Pfiff erklang, lang genug, um von der Ankunft in Paris, dem Weg durch die Stadt, der Begegnung mit den Bewaffneten in den Katakomben und auch noch von etwas anderem zu erzählen. Sebastian hörte und verstand alles, bis auf den letzten Teil, aber er achtete nicht darauf. Sein Blick galt Raffaele, und in den Augen des Jungen, fünfzig oder sechzig Meter entfernt, glaubte er Nikolaus zu erkennen.

    Der Dolch in seiner Tasche schien immer schwerer zu werden.
    Krystek ging einige Schritte, zögerte und schaute kurz zurück, bevor er den Weg fortsetzte. Sebastian spürte ein Zerren, dem er instinktiv nachgab. Er folgte Krystek, und nach zwei oder drei Metern spürte er Annas Hand an der seinen. Sie war sehr blass, stellte er mit einem raschen Blick zur Seite fest, und in ihren Augen stand eine unbeantwortete Frage.
    Zwischen den Säulen spannte sich eine Art graues Tuch, das immer wieder wie von Wind erfasst wogte, sich an einer Stelle aufblähte und an einer anderen glättete. Manchmal zeichneten sich in der grauen Fläche Konturen ab, doch sie blieben undeutlich, gewannen keine klar erkennbare Form. Krystek ging weiter, und Sebastian blieb ebenfalls in Bewegung, den Blick wieder auf den Jungen neben der blonden Frau gerichtet, die ihre Hand auf seine Schulter gelegt hatte. Das Gesicht des Knaben schien erst wie eine Maske zu sein, starr und ausdruckslos, aber dann veränderte sich etwas darin, und für einen Moment glaubte Sebastian, einen etwas älteren Jungen zu erkennen, der beobachten musste, wie sein Kreuzzug in einer Katastrophe endete. Grenzenlose Enttäuschung brach für diesen einen Moment hinter der Maske hervor, begleitet von Verzweiflung und einem wortlosen Flehen, von dem Sebastian nicht wusste, ob es seinen Ursprung in Raffaele hatte oder in Nikolaus.
    Sie gingen an den Säulen vorbei, und Sebastians Aufmerksamkeit galt weiter Raffaele, bis der Junge seinen Blick von ihm abwandte und auf etwas hinter ihm richtete. Daraufhin drehte Sebastian den Kopf … und blieb stehen.
    Auf dieser Seite spannte sich kein graues Tuch zwischen den beiden Säulen, sondern eine dünne, transparente Membran,
wie die Oberfläche von Wasser, und dahinter erstreckte sich eine andere Welt, die Sebastian bereits kannte: ein weites Ödland, mit Bergen am Horizont. In mittlerer Entfernung ragte eine hohe Felsnadel auf; insektenhafte Wesen kletterten daran empor, und ganz oben schien jemand zu stehen …
     
    Sebastian steht am Kreuz, das ihm nie etwas bedeutet hat, und blickt auf die schwarze Flut aus monströsen Wesen hinab, die sich unaufhaltsam durch die weite Ebene wälzt. Dort unten steht jemand inmitten all der albtraumhaften Geschöpfe, beide Arme erhoben und den Kopf nach hinten geneigt, und die Kreaturen bejubeln die Gestalt wie einen König. Sebastian schaut in die andere Richtung, über die insektoiden Geschöpfe hinweg, die die Felsnadel bereits erklettert haben und sich dicht vor ihm befinden, ihn aber nicht erreichen können, und sein Blick findet eine brennende Stadt. Flammenzungen lecken durch die Nacht und vereinen sich über der Metropole zu einem glühenden Halo. Paris brennt - der Eiffelturm neigt sich zur Seite und stürzt ins Flammenmeer. Plötzlich scheint Sebastian der Stadt entgegenzufliegen, obwohl er weiterhin auf der Felsnadel steht, am Kreuz. Etwas zoomt einen Teil von ihr heran und zeigt ihm Einzelheiten: eine Höhle unter der Stadt und ihren Katakomben, darin sieben Erwachsene, fünf Männer, ihn selbst eingeschlossen, und zwei Frauen, eine von ihnen Anna. Und ein Kind, ein Junge, derselbe Junge, der auch inmitten der schwarzen Heerscharen steht, ihnen mit erhobenen Armen und einer Stimme wie Wind und Meer den Weg weist. Das Bild wechselt und zeigt andere Höhlen und auch Tunnel, in ihnen Männer mit Helmen und Waffen. Es hat Tote gegeben, und Hindernisse müssen aus dem Weg geräumt werden, doch die Bewaffneten setzen den Weg fort. Ihr Ziel ist die große Kaverne mit den beiden Säulen, aber selbst wenn sie sie erreichen, bevor die Verbindung zwischen den beiden Welten hergestellt wird - Sebastian weiß, dass sie
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