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Adorkable - Zwei, die sich hassen und lieben

Adorkable - Zwei, die sich hassen und lieben

Titel: Adorkable - Zwei, die sich hassen und lieben
Autoren: Sarra Manning
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Hausaufgaben machen. Nicht, weil ich so ein Rumbummler bin, der alles bis zur letzten Minute aufschiebt, sondern weil der Sonntagabend der einsamste Abend der Woche ist. Alle anderen hocken mit ihren Müttern da, die ihnen wegen Lunchpaketen und sauberen Klamotten die Hölle heißmachen. Sogar meine echten erwachsenen Freunde sagen, dass sie sonntagabends immer dieses Zurück-in-die-Schule-Gefühl bekommen, das man nur mit einem schmalzigen Film und einem Riesenbecher Eiscreme wieder loswird.
    Ich habe keine Mutter, die sich mehr um mich kümmert, als mir lieb ist, oder einen Vater, der das übernimmt, also lasse ich mir immer einige Hausaufgaben übrig, damit ich gar nicht erst auf die Idee komme, in Selbstmitleid zu versinken. Du kannst dich nicht selbst bemitleiden, wenn du sorgfältig Finanzdaten in die Arbeitsblätter aus deinem BWL-Kurs eintragen musst.
    Das wurde nicht besser dadurch, dass die Firma, die ich mir für den BWL-Unterricht ausgedacht hatte, auch im wirklichen Leben meine eigene, echte Firma war. Adorkable war eine Außenseiter-zelebrierende Lifestyle-Marke und Trendagentur, die ich gegründet hatte, als mein Blog (der auch Adorkable hieß) plötzlich Unmengen von Preisen gewann und ich immer wieder gefragt wurde, ob ich nicht etwas für den Guardian schreiben oder an einer Podiumsdiskussion auf Radio Four teilnehmen wollte.
    Die jeweiligen Zahlen, die ich per Copy & Paste von einem Dokument in das andere zog, bezifferten die tatsächlichen Summen, die ich in den letzten sechs Monaten durch Beratungsleistungen, öffentliche Auftritte, Journalismus und den Verkauf von Adorkable -Markenprodukten auf Etsy und CafePress eingenommen hatte. Das machte das Lernen für BWL aber auch nicht witziger. Nicht das kleinste bisschen. Ich seufzte gerade vor Erleichterung, weil ich das Ende der letzten Spalte erreicht hatte, als das Telefon klingelte.
    Meine Mum rief jeden Sonntagabend um 19.30 Uhr an, also hätte mich der Anruf eigentlich nicht so überraschen und mein Herz nicht so zum Stocken bringen sollen. Vielleicht lag es daran, dass ich den Rest der Woche meist damit verbrachte, die Erinnerung an unsere Sonntagabendtelefonate zu verdrängen. Es war also jedes Mal wie ein Schock, wenn sie anrief und meinen Namen mit dem gleichen, leicht beklommenen Unterton aussprach, mit dem sie ihn schon aussprach, seit ich denken konnte.
    »Hallo Pat«, sagte ich. »Wie geht’s?«
    In Trujillo, Peru, war alles prima, auch wenn unter der Woche der Strom ausgefallen war und ihr langsam die sauberen Klamotten ausgingen, weil …
    »Haben die überhaupt Waschmaschinen in Peru?«, fragte ich, ohne eigentlich richtig bei der Sache zu sein, denn die Leitung knisterte und ihre Stimme klang seltsam zeitverzögert, und sogar als wir noch im gleichen Haus lebten, hatten wir uns nie besonders viel zu sagen.
    »Natürlich haben sie Waschmaschinen, Jeane. Bei mir werden gerade die sauberen Unterhosen knapp, weil ich einfach keine Gelegenheit hatte, irgendetwas zu waschen. Peru ist nicht die Dritte Welt. Sie haben hier Waschmaschinen, fließend heißes und kaltes Wasser und, ja, sogar Starbucks. Obwohl das mehr über die Globalisierung aussagt als über …«
    Wir hatten erst zwei Minuten miteinander gesprochen, und schon wurde es eisig. »Du hattest gesagt, dass ihr keinen Strom hattet!«
    »Ja, das liegt daran, dass ich von montags bis freitags, wie du weißt, außerhalb der Stadt in einer sehr abgelegenen Gegend von …«
    »Oh ja, wie geht es den peruanischen Gefängnisinsassinnen?«, fragte ich demonstrativ provokant, wobei jede Silbe vor Verachtung nur so triefte.
    »Musst du immer wegen allem so schnippisch sein?«
    »Ich bin gar nicht schnippisch«, sagte ich, obwohl sie recht hatte. Nicht, dass sie das so oder so irgendwie hätte beurteilen können. »Wirklich, es interessiert mich. Wie geht es ihnen?«
    Ich wusste, dass die Erzählungen von den peruanischen Gefängnisinsassinnen sie gut zehn Minuten beschäftigen würden. Immerhin waren sie der Grund oder die fadenscheinige Ausrede, die sie uns dafür geliefert hatte, dass sie zwei Reisetaschen und einen Rollkoffer gepackt und schnurstracks über den Atlantikverschwunden war. Dort wollte sie sich zwei Jahre lang mit der Ausarbeitung eines Forschungspapiers beschäftigen, in dem sie die Wirkungen eines New-Age-, Bäume umarmenden, fröhlichen Wanderprediger-Ansatzes in der Haft untersuchte und seine Wirkung auf die mörderischen Tendenzen und das Verhalten langzeitinhaftierter
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