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Ada liebt

Ada liebt

Titel: Ada liebt
Autoren: Nicole Balschun
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nicht, und das lag nicht an den Sinnen. Ich wusste, dass Elisabet es
auch wusste, und ich hatte mich schon damals gefragt, ob es sie stören würde
irgendwann.

4
    Bo war kräftig und gesund
und deshalb war er ein guter Sargträger. Von den Schweinen kann man nicht
leben, hatte Bo gesagt. Da ich während der Woche in den Bibliotheken in einer
anderen Stadt saß, sah ich Bo nur am Wochenende und am Sonntag trug er Särge über
den Friedhof und machte ein ernstes Gesicht.
    Manchmal ging ich mit, denn ich mochte
die Stille, und das Scharren der Füße auf dem Boden beruhigte mich. Und ich sah
Bo an, der in einem schwarzen Anzug den Sarg trug, und manchmal weinte ich.
    Die ersten Wochen begleitete ich
meinen Vater auf den Friedhof, und während er Tante Rosis Erde beackerte und
kleine Liebenswürdigkeiten hineinsteckte, machte ich mich auf die Suche nach
Bo. Meistens fand ich ihn in den Zwanzigern und wir machten uns einen Spaß daraus,
uns zu begegnen zwischen den Gräbern, leise und zufällig.
    Du wieder, sagte Bo und ich sagte,
meine Tante ist hier, und ich fühlte mich ertappt und spürte ein Rotwerden in
meinem Gesicht. Bo sagte, es wird wärmer, der Frühling naht, und ich lächelte
und Bos Blick hielt mich fest. Bo, sagte er und streckte mir seine Hand
entgegen, die wie Leder war, und der Wind kam aus einer anderen Richtung und
ich merkte, dass Bo komisch roch.
    Manchmal setzten Bo und ich uns auf
eine der grün lackierten Bänke. Er sah mich an und einmal strich er mir eine
Haarsträhne aus dem Gesicht und ich sagte nicht, lass das. Bo erzählte von den
Beerdigungen, seine Stimme war wie Gesang, und ich erzählte von Virginia Woolf
und ihrem Wunsch nach einem Zimmer. Bo sagte, schick sie zu mir, ich habe
Platz, und wir lachten und eine alte Frau ging vorbei und sah uns vorwurfsvoll
an.
    Nach drei Monaten wurde es
schwieriger, denn mein Vater trauerte nicht mehr so sehr um Tante Rosi und er
wollte nicht jeden Sonntag auf den Friedhof. Warum willst du unbedingt dorthin,
fragte er mich und ich sagte, wegen ihr, und er glaubte mir nicht, denn ich
hatte sie schon zu Lebzeiten nicht gerne besucht. Sie hatte zu viel geredet und
damit zu wenig gesagt und ihre körperliche Präsenz war erdrückend gewesen.
    Jetzt ist es anders mit ihr, sagte
ich, sie ist angenehmer im Umgang geworden. Meine Mutter lachte, selbst mein
Vater lächelte und ich sagte, nur noch dieses eine Mal, und er sagte, von mir
aus. Wir gingen los und ich wusste, dass ich heute etwas zu Bo sagen musste.
    Ich dachte während der Autofahrt
darüber nach, und als mein Vater das Eisentor öffnete und mechanisch nach der
grünen Gießkanne griff, fiel es mir ein. Ich sagte, ich hole eine Schaufel,
mein Vater guckte erstaunt und sagte, wir brauchen heute keine, Ada. Aber ich
war schon losgegangen und tat so, als hätte ich ihn nicht gehört.
    Bo stand wie erwartet in den
Zwanzigern und ich schlich mich an ihn heran. Als ich dicht hinter ihm stand,
sagte ich, hallo Bo, und er drehte sich nicht um und sagte, ich wusste, dass du
kommst. Ich brauche einen Spaten, sagte ich und Bo holte einen aus dem Schuppen
neben der Kirche und ich wartete in Einundzwanzig auf ihn.
    Du hängst sehr an deiner Tante, sagte
Bo und ich sagte, nein, und an wem hängst du, und Bo sagte, an Siegfried, und
ich wusste nicht, wer das war, und Bo sagte, du wirst sie kennenlernen. Meine
Tante wirst du nicht kennenlernen, sagte ich und Bo sagte, ich war an ihrem
Grab, manchmal gieße ich ihre Blumen, sie heißt Rosalind, das ist ein schöner
Name, ich hatte mal eine Kuh, die so hieß.
    Ada, rief mein Vater. Ich griff nach
dem Spaten und sagte, bis gleich, und Bo wischte sich mit der Hand über sein
Gesicht und es wurde schwarz an der Stelle. Bo hatte mal eine Kuh, dachte ich
und wusste nicht, was ich damit anfangen sollte.
    Als ich meinen Vater sah, hielt ich
den Spaten hoch und er rief, ein Spaten, Ada, und eine Frau in Nummer achtzehn
schimpfte, das ist kein Stadion hier, und er sagte, Entschuldigung, aber was
soll ich mit einem Spaten, und die Frau drehte ihm den Rücken zu. Mein Vater
lächelte mich an und zuckte mit den Schultern.
    Hast du einen Zettel, fragte ich ihn
und er kramte in seiner Jackentasche und holte ein gefaltetes Stück Zeitung
heraus. Geht das, fragte er, ich nahm es und kritzelte mit unsicherer Hand
meinen Namen und meine Telefonnummer darauf. Was soll das, fragte mein Vater
und ich hängte den Zettel an den Spaten und sagte, so ist es gut. Für wen ist
das, fragte mein
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