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Ada liebt

Ada liebt

Titel: Ada liebt
Autoren: Nicole Balschun
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lange, so wie ich es in so
vielen Nächten getan habe, als mir die Füße juckten und mich die Dunkelheit
durch das Haus trieb. Bo, sage ich laut, ich liebe dich ungeheuerlich, und
meine Worte sind klar und sie erschrecken mich nicht. Ihr Klang erfüllt das
Auto, und vielleicht finden sie eine Pore dort draußen zwischen den Eisblumen
und kriechen hinein.
    Du Bauerntölpel, habe ich ihn genannt.
Kleine Gummistiefel neben großen. Mein kleines Blassgesicht. Bo. Warum hast du
mir eine verbrannte Nachgeburt von den Schweinen auf den Tisch gelegt, sein
Lachen. Bo verschwindet hinter dem Weiß meiner Scheibe und sein Gesicht ist
nicht mehr sonnengebräunt.
    Bitte heirate mich niemals. Er hat
sein Versprechen gehalten.
    Leben ist mehr als Zusehen und
Aufschreiben, hat Bo in einer Nacht zu mir gesagt. Leben geht über die Wörter
hinaus, die du studierst, Leben beginnt dort, wo die Sprache aufhört, es ist
Atmen und du kannst seinen Pulsschlag hören, wenn du nur willst.
    Ich atme doch, habe ich gesagt und Bo
hat mich fest an sich gedrückt und geflüstert, nein, Ada, du holst Luft, aber
ich werde dir das Leben schon beibringen, du musst mich nur lassen.
    Bo hat mir das Leben beigebracht, und
jetzt höre ich seinen Pulsschlag neben mir, und ich atme tief ein in diesem
unwirklichen Moment. Ich küsse Bo auf den eisigen Mund, aber sein Geruch ist
verschwunden, und ich begreife, dass Bo nicht mehr da ist.
    Ich kurbele das Fenster herunter und
schreie in den schweren Nachthimmel und die Kälte legt sich wie ein Tuch auf
meine Haut und dringt in mich ein. Ich höre das Hupen der Autos hinter mir und
sehe die Ampel wieder auf Rot springen. Ich gebe Gas und donnere auf die
Kreuzung.
    Ich denke an Elisabet mit den beiden
Kindern auf dem Arm und diese bunten Bilder fließen aus den Rahmen in meine
Erinnerung und verwischen ihre Silhouette. Das Letzte, was ich von ihr sehe,
ist ein winziger, schwarzer Punkt am Ende meiner Gedanken, der sich nicht mehr
umdreht.
    Vor dem Haus meiner Eltern parke ich
den Wagen. Ich sage ihnen, dass Bo weg ist, und meine Mutter versucht, mich in
den Arm zu nehmen. Ich weiche ihr aus und sage, mein Zug fährt gleich. Mein
Vater holt meinen Koffer aus meinem Zimmer, ich habe ihn noch gar nicht
ausgepackt. Meine Mutter steht mir schweigend gegenüber, sie sieht traurig aus.
Ada, sagt sie und ich sage, ich muss los.
    Wir steigen ins Auto und meine Mutter
fragt, wohin gehst du, Ada. Ich hebe die Schultern und sage, weg, ich weiß
nicht, was kommt, und mein Vater sagt, du hast hier immer dein Zuhause. Ich
nicke ihm zu und wir alle wissen, dass das vorbei ist.
    Geht jetzt, sage ich, denn ich mag
diese kitschigen Abschiedsszenen auf Bahnhöfen nicht und sie wissen das und
haben noch nie gewartet, bis der Zug gefahren ist. Sie drehen sich um und
setzen sich mit kleinen Schritten in Bewegung. Sie kommen mir klein vor und alt
und während sie sich entfernen, werden sie schon zu Fetzen eines früheren
Lebens. Sie halten einander fest und meine Mutter dreht sich immer wieder um.
Ich sehe die Tränen in ihrem Gesicht und ich weiß nicht, ob sie Bo gelten oder
mir oder uns beiden.
    Ich suche mir ein freies Abteil im Zug
und stelle meinen Koffer neben mich. Es liegt kein Weg vor mir und keiner
hinter mir. Wie ins All geschossen, stolpere ich los und nehme meine alte Flugbahn
wieder auf, und keiner kommt aus den Feldern und sagt, du musst atmen, Ada. Es
ist gut so, nichts lenkt mich ab und nichts bringt mich durcheinander. Ich habe
den Kulturteil der Zeitung und Gummistiefel brauche ich nicht in der Stadt.
    Mein Zimmer mit dem tollen Ausblick.
Ich fahre zurück zu den Porzellangesichtern und alles stimmt wieder. Alle
Wörter sind an ihrem Platz. Wer braucht elektrische Weidezäune? Kein
schmutziges Auto vor der Tür und nie wieder juckende Füße. Mein kleines
Blassgesicht, meine kleine Wasserleiche. Ich ziehe den Telefonstecker, so
bleibt die Hoffnung. Jetzt ein Bad nehmen.
    Als ich in der Wanne liege, sehe ich
Siegfried und sein borstiges Haar an meinem Spiegel stehen, Wassertropfen auf
dem Kopf. Du fehlst mir gar nicht. Noch eine Karte wird dir Siegfried nicht
schreiben, hat Bo gesagt. Die Frauen aus England, meine Porzellangesichter,
ich, du, wir. Wir nehmen ein Bad und es duftet nach Lavendel. Besser als
Kuhfladen, da sind wir uns einig.
    Bo hat die Liebe mitgenommen. Ein
großer Schmerz, ein Wortstillstand und La Traviata ist nicht mehr so schön wie vorher. Hol die Schweine
aus dem Wasser.
    Bo, meine Liebe.
    Du
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