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Achtung Kurven

Achtung Kurven

Titel: Achtung Kurven
Autoren: Horst Biernath
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richtige Leichenbittermiene...«
    Rothe zog einen Brief aus der Tasche: »Den soll ich Ihnen von der Chefin übergeben. Ich nehme an, daß er Ihre Kündigung enthält. Als sie ihn mir gab, war sie gerade dabei, Ihren Schülern telefonisch abzusagen und sie auf einen der nächsten Tage zu vertrösten.«
    Heinz Herold schlitzte den Umschlag des dicken Briefes mit dem kleinen Finger auf. Er enthielt ein Monatsgehalt und ein kurzes Schreiben, in dem er ersucht wurde, den Wagen im Hof abzustellen, Wagenpapiere und Schlüssel Herrn Rothe zu übergeben und seine Tätigkeit in der Fahrschule Bauersfeld einzustellen. Ein Zeugnis über sein halbjähriges Wirken als Fahrlehrer werde ihm in den nächsten Tagen per Post zugehen. — Er stopfte die Geldscheine und den Brief in die Hosentasche.
    »Nun erzählen Sie mir bloß, was es zwischen Ihnen und der Chefin gegeben hat«, sagte Rothe, der eine heftige Reaktion Herolds erwartet zu haben schien. Er sah Herold an, als suche er in dessen Gesicht nach Kratzspuren. »Die Dame machte eine Andeutung, als ob Sie sich ihr gegenüber Unverschämtheiten herausgenommen hätten.«
    »Das sollte sie lieber nicht tun. Es war nämlich gerade umgekehrt. Sie hat mich ‘rausgeschmissen, weil ich mir keine Unverschämtheiten herausgenommen habe.«
    »So was Ähnliches habe ich mir gedacht.«
    Heinz Herold sah ihn etwas erstaunt an.
    »Zu komisch«, sagte Rothe kopfschüttelnd, »an diesen scharfen Kurven sind einige Herren gescheitert, weil sie sie in allzu flottem Tempo zu nehmen versuchten. Sie sind vorsichtig daran vorbeigefahren, und es hat Sie trotzdem erwischt. — Schade, Herold, ich habe mit Ihnen gern zusammengearbeitet.« Er blickte Herold in die Augen und hob das Kinn: »Du hast einen Fehler gemacht, mein Junge, du hättest ihr den Krempel schon damals hinschmeißen sollen, als die Geschichte brenzlig wurde.« Er grinste, als er Herolds Betroffenheit bemerkte. »Ich bin nämlich nicht nur ein guter Beobachter, sondern ich habe auch eine erstklassige Nase — und ich roch ihr Parfüm an deinem Anzug...«
    Sein spontanes Du war mehr als eine Solidaritätserklärung, er bot damit Herold seine Freundschaft an, mit der er sehr sparsam umging.
    »Ich bin ein dummer Hund, Emil — ich erbot mich, weiterzumachen, bis sie einen Ersatz für mich gefunden hat.«
    »Diese Mistbiene!« knurrte Rothe. »Aber Anstand wird selten honoriert. Soll man nun daraus die Lehre ziehen, den Anstand für die Zukunft zu Hause zu lassen?«
    Hinter ihnen hüstelte jemand diskret. Es war Herr Pflügel , der bei Rothe seine Fahrstunde absolvieren wollte und nun ungeduldig wurde.
    »Bei mir steht der Freßkorb von Frau Jossa noch immer fast unberührt in der Bude. Willst du mir heute abend helfen, ihn kleiner zu machen? Es sind eine Menge Feuchtigkeiten dabei.«
    »Herzlich gern, aber vergiß nicht, die Sektflaschen kaltzustellen.«
    Die Papiere liegen in der Seitentasche des Wagens. Herold sperrte ihn ab und übergab Rothe die Schlüssel.
    »Weißt du, wie ich mich fühle?« fragte er blinzelnd.
    »Wie ein Bub, der den Schulranzen in die Ecke feuert und in die Sommerferien hineinhüpft...«
    »Genauso!« sagte Herold und pumpte die Lungen mit einem langen Atemzug voller Luft.
    »Und jetzt gehe ich ins Bad und lasse mich von der Sonne braten und überlege mir, wo ich den unverhofften Urlaub verlebe. Ich schäme mich fast, es einzugestehen, aber ich war noch nie im Süden. Und dabei haben die Namen mich immer gelockt — Abbazia — Taormina — Palermo — Camogli ...« Er klopfte auf seine Hosentasche. »Ich habe bis heute jeden Pfennig auf die hohe Kante gelegt, aber diese Scheine werde ich auf den Kopf hauen, restlos!«
    »Bravo!« sagte Rothe. »Ich war im vergangenen Sommer unten, und ich kann dir mit einer Menge guter Tips aufwarten. Ciao derweil — wie wir alten Italiener sagen —, ich bin gegen acht Uhr bei dir.«
    Er stellte sich pünktlich ein und brachte zwei Flaschen Beaujolais mit, nicht, weil er befürchtete, Herolds Vorräte könnten nicht reichen, sondern weil er behauptete, Sekt allein wäre zu naß und ließe im Bauch Schmetterlinge flattern. Mit Rotwein zu Türkenblut gemischt, ergäbe er ein bekömmliches Getränk für warme Sommerabende. Sie tafelten fürstlich und delektierten sich an Räucheraal, Lachs, zarten Heringsfilets in Remoulade, pikanten Gabelbissen und eingelegten Oliven, lauter scharfen Sachen, die einen prachtvollen Durst erzeugten, so daß Heinz Herold zwischendurch für ein paar
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