Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Achtung Kurven

Achtung Kurven

Titel: Achtung Kurven
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
»Wie kommen Sie eigentlich mit Frau Jossa voran? Ihr Mann — Sie wissen doch, der Direktor von der Maschinenfabrik — läutete mich vor einer halben Stunde an. Ich fürchte, der Arme hat es mit seinem Täubchen nicht ganz leicht...«
    »Ich auch nicht!« antwortete Herold verkniffen, »dieses Schreckgespenst wird mir allmählich zum Alptraum.«
    »Ich bitte Sie, Heroldchen, was für Ausdrücke! Die Dame gehört zu den feinsten Kreisen der Stadt, zur Crème de la Crème...«
    Sie gurgelte das R im Rachen, als hätte sie zehn Jahre ihres Lebens auf den Pariser Boulevards zugebracht. Dabei war sie zwischen Rhabarber und Kartoffeln groß geworden, denn ihre Mutter besaß früher einen Stand auf dem Gemüsemarkt.
    Frau Jossa war dreimal durch die Prüfung gefallen.
    »Wie viele Fahrstunden hat sie denn bis jetzt bei Ihnen gehabt, Herr Herold?«
    »Dreiundzwanzig oder vierundzwanzig«, knurrte er, »aber vorher waren es gut und gern siebzig bei ändern Fahrschulen. Die Frau macht mich fix und fertig.«
    »Melken Sie die Kuh ruhig noch ein Weilchen.«
    »Der Chef hat die Milchkuh bereits zur Prüfung gemeldet.«
    »Dieser Dummkopf!« zischte sie, und alles Glitzernde und Lockende — Rothe nannte sie manchmal »unsere Lollo « — war plötzlich aus ihrem Gesicht weggewischt.
    »Alsdann gesegnete Mahlzeit«, murmelte Herold und wandte sich zum Gehen. Die Chefin hielt ihn mit einer Handbewegung zurück: »Kennen Sie ein Fräulein Schütz?« fragte sie und fügte, um seinem Gedächtnis nachzuhelfen, hinzu: »aus Kirst?«
    Er schüttelte den Kopf: »Nein, ich habe den Namen noch nie gehört. Warum fragen Sie?«
    »Weil sie sich zum Fahrkursus angemeldet hat. Ich wollte sie Herrn Rothe zuteilen, aber sie bestand darauf, von Ihnen unterrichtet zu werden. Eine Freundin hätte Sie ihr besonders empfohlen...«
    »Das ehrt mich«, grinste er, »aber ich fürchte, deshalb wird der Chef mein Gehalt nicht aufbessern.«
    »Das fürchte ich allerdings auch«, sagte Frau Bauersfeld und nickte ihm einen kühlen Gruß zu. Wenn es ums Geld ging, trug sie ihre Kleider bis zum Hals geschlossen.
    Draußen lockerte Heinz Herold mit zwei Fingern den Kragen. Die Tagestemperatur gab ihm dazu, obwohl der Kalender den 4. August anzeigte, keine Veranlassung. Der Wetterbericht im Radio meldete seit Ende Juni: trüb mit örtlichen Aufheiterungen, für die Jahreszeit zu kühl.
    Es war ein Jammer mit dieser Ehe. Seit Jahren saß der Wurm darin. Der Chef, Paul Bauersfeld, war sechsundfünfzig, und die Chefin hatte vor einigen Tagen ihren vierunddreißigsten Geburtstag gefeiert. Der Altersunterschied von zweiundzwanzig Jahren wäre noch kein Malheur gewesen; eher war es der Gewichtsunterschied, denn der Chef hatte den Umfang eines Hektoliterfasses und wog 260 Pfund. Wie so vielen dicken Leuten konnte ihm keine Schweinshaxe fett genug sein, aber mehr als gutem und reichlichem Essen war der Alte den Schöppchen ergeben. Daß er sein Gewicht nicht wesentlich überschritt, lag daran, daß er zweimal wöchentlich die Sauna besuchte. Dabei war der Verdacht, den Emil Rothe — der ältere von den beiden Fahrlehrern der Fahrschule Bauersfeld — aussprach, sicherlich , nicht unbegründet, daß der Chef die Sauna nur deshalb so fleißig benutzte, weil der rapide Flüssigkeitsentzug einen mächtigen Durst erzeugte. Rothe mußte es wissen, denn was den Durst betraf, hätte er ein Bruder des Chefs sein können. Dem hochdekorierten Fliegeroffizier hatte der Krieg zwei unangenehme Andenken hinterlassen, eine Unterschenkelprothese links, die ihn nicht allzusehr störte, und ein nervöses Magenleiden, das ihn oft gallig und ungenießbar machte.
    Herold traf Rothe im Speisesaal des >Roten Ochsen<, wo ein zwangloser Stammtisch zum Mittag- und zumeist auch zum Abendessen ein Dutzend Herren, lauter Junggesellen, an den Wochentagen zusammenführte. Es waren drei Fahrlehrer von Konkurrenzunternehmen, einige Stadtangestellte, ein paar Vertreter, und als Senior der Runde der weit über achtzig Jahre alte Apotheker Feurich , ein schrulliger, aber ungemein vitaler Mann, der das Essen mit seinem Königspudel Aristophanes — Toffl genannt — teilte. Heute war der Tisch nur schwach besucht. Die Herren von der Stadtverwaltung debattierten mit dem alten Apotheker, dem solche Dispute ein inniges Vergnügen bereiteten, über eine Zeitungsmeldung, daß eine Schäferhündin in einem Wurf neben drei Schäferhundwelpen gleichzeitig einen Setter, einen Spaniel und einen Boxer in die Welt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher