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Achtung Kurven

Achtung Kurven

Titel: Achtung Kurven
Autoren: Horst Biernath
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gesetzt habe.
    »Na, junger Herold«, fragte Rothe feixend, »was wollte denn unsere Lollo mal wieder von Ihnen?« Wenn er Herolds Namen aussprach, machte er immer ein Gesicht, als sähe er einen Herold aus einer Wagner-Oper vor sich.
    Heinz Herold hatte sich über Rothes ständige Frotzeleien lange genug geärgert, seit einigen Wochen überhörte er sie. Er studierte die Speisekarte, wählte unter den drei Stammgerichten Rindfleisch mit Spinat und nippte an dem kleinen Hellen, das ihm der Biermops auf den Tisch gestellt hatte. Das Wochenabonnement für sechs Tage kostete mitsamt den kleinen Bierchen und dem Rollgeld achtzehn Mark. Das war, wie Rothe sich ausdrückte, der jüdische Witze liebte und großartig erzählen konnte, eine » Mezzie .«
    »Ich muß heute abend den theoretischen Kurs übernehmen.«
    »Aus welchem kühlen Grunde drückt sich der Alte davor?«
    » Abschlußfeier in Windsberg.«
    »Das hör’ ich gern«, knurrte Rothe. »Wir plagen uns herum, und der Alte kassiert die Orden.«
    Fräulein Meta, die Bedienung, servierte das Rindfleisch und wünschte Herold guten Appetit. Rothe schielte ohne Neid auf die ansehnliche Fleischportion. Die Wirtin vom >Roten Ochsen<, Frau Dürrlein , hatte bei Heinz Herold vor drei Monaten den Führerschein gemacht. Sie winkte ihm durch die Klappe, die Küche und Büfett trennte, einen Gruß zu.
    »Sie haben mächtige Chancen bei den Damen«, grinste Rothe über sein Glas hinweg.
    »Was soll das?« fragte Herold, den die ewigen Anzapfungen nun doch zu verstimmen begannen, »lassen Sie mich in Ruhe essen, ich hab’s mir heute redlich verdient.«
    Rothe kippte den Rest seines Bierchens hinab und kämpfte mit sich, ob er ein zweites bestellen sollte. Der bessere Mensch in ihm siegte. Er hatte schließlich noch sechs Fahrstunden vor sich und konnte mit der Fahne von zwei Hellen seinen Fahrschülern nicht gut Enthaltsamkeit vom Alkohol predigen.
    »Ich beobachte die Chefin seit sechs Wochen«, sagte er mit halber Stimme, »wenn sie Sie ins Visier kriegt, macht sie nicht nur runde Augen, sondern auch ein rundes, genußsüchtiges Maul, wie ein Karpfen, der einen besonders fetten Wurm schlucken möchte.«
    »Hören Sie doch mit dem Schmarr’n auf!« knurrte Herold. Aber was ihn ärgerte, waren nicht Rothes Anzapfungen, sondern daß er spürte, wie er unter dem Jägerblick des alten Kampffliegers errötete.
    »Mir ist es wurscht «, sagte Rothe, »ich drehe meine Runden jetzt seit sechs Jahren in Lollos Zirkus. Lassen Sie mich mal nachrechnen...« Er zählte an den Fingern ab, »Sie wären genau der achte, der in diesen sechs Jahren fliegt. Denn täuschen Sie sich ja nicht im Alten. Er säuft, aber er ist nicht blind, und er kann vor Asthma kaum schnaufen, aber sein Gehör funktioniert noch tadellos...«
    »Ich weiß nicht, warum Sie mir das erzählen...«
    »Um so besser«, meinte Rothe und stand auf. »Ich lege mich noch für eine Stunde aufs Ohr. Mich juckt der linke Fuß. Das Wetter schlägt um.« — Es war der Fuß, der in der Normandie geblieben war. Er tippte mit zwei Fingern gegen die Stirn und ging davon. Heute schleppte er das linke Bein ein wenig nach. Die anderen Herren am Tisch schienen sich über das Hundeproblem inzwischen einig geworden zu sein.
    Fräulein Meta räumte den Tisch ab. »Hat’s geschmeckt, Herr Herold?« fragte sie mütterlich besorgt. Wenn es etwas besonders Gutes gab, empfahl sie es ihm, und man konnte sich, wenn man in ihrer Gunst stand, auf die Empfehlungen verlassen.
    »Danke, ganz ausgezeichnet...«
    »Sie zu bedienen macht direkt Spaß, Herr Herold. Aber daß ich das ganze Kalbfleisch vom Herrn Rothe dem Toffl vom Herrn Apotheker geben mußte, das geht mir gegen den Strich. Es ist einfach nicht mit anzusehen, wie der Mann im Essen herumstochert. Dabei ist er dürr wie ein Hering.«
    »Er hat es mit dem Magen...«
    »Das Magenleiden kenne ich!« sagte sie und schnippte mit dem Fingernagel gegen das Bierglas.
    Herold griff nach der Zeitung, die Rothe zurückgelassen hatte. Aber er überflog nur die Schlagzeilen.
    Natürlich bemerkte auch er seit Wochen mit einer Mischung von Eitelkeit, Neugier und Unbehagen, daß die Chefin ihn oft unter fadenscheinigen Gründen ins Büro rief und mit ihm alles mögliche zu besprechen hatte, wenn der Chef unterwegs war: ob das Benzin, das man an den freien Tankstellen um ein paar Pfennige billiger bekam, den Motoren nicht schade, oder ob man den Opel, der jetzt 60 000 Kilometer auf dem Tacho hatte, nicht
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