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Acht Tage im August

Acht Tage im August

Titel: Acht Tage im August
Autoren: Michael Winter
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pudelnackt von einem Kirchturm?«
    Die Erdmann zog die Augenbrauen hoch. »Von einem Dresscode bei Selbstmördern ist mir nichts bekannt.«
    »Respekt, bist auch approbierte Zynikerin?«, fragte Hammer. Dann zu Assauer: »Einer von uns muss da rauf.« Er deutete zum Turm.
    »Du«, versetzte Assauer, »ich bin ja bekanntlich schwer verletzt.«
    »Aber nicht an den Füßen und außerdem bist du zwanzig Kilo leichter und sportlicher. Und der Turm da ist ja nicht das Empire State Building.«
    »Das hätt’ einen Aufzug.«
    Assauer nahm sein Funkgerät aus der Tasche, schaltete es ein und setzte sich in Bewegung.
    »Vergiss nicht …«, rief ihm Hammer nach.
    »Schon recht«, kam es zurück, »Augen auf am Tatort!«
    Das Zitieren ihres Chefs war ihnen zum Ritual geworden. Assauer verschwand in der Kirche.
    »Selbstmord also?«, Hammer sah die Erdmann fragend an.
    »So, wie’s aussieht …« Sie zuckte die Achseln. »Alkohol, Drogen vielleicht, kommt ja genug rüber.« Sie deutete mit dem Daumen gen Osten. »Viele, viele bunte Goodies. Gibt’s in jeder Dorfdisco. Morgen kann ich mehr sagen. Sie muss übrigens nach dem Sturz noch eine Weile gelebt haben, nach dem vielen Blut zu urteilen.«
    Hammer schauderte. »Irgendwelche Spuren an ihr?«
    »Unwahrscheinlich. Wenn da was war, hat’s der Regen weggewaschen, so wie das heute geschüttet hat.«
    »Wie lang liegt sie schon da?«
    »Mindestens zwei Stunden, bis die Frau sie gefunden hat.«
    »Und der Todeszeitpunkt?«
    »Wahrscheinlich so zwischen vier und fünf.«
    Hammers Funkgerät piepte. Assauer!
    »Die Spurensicherung wird eine Freud’ haben.«
    »Warum?«
    »Da heroben muss kürzlich ein ganzer Haufen Leute rumgetrampelt sein, Kinder, wie’s ausschaut. Aber immerhin hab’ ich die Schuhe und die Kleidung von dem Mädchen.«
    »Lass sie liegen. Ich schau später selber noch rauf. Und komm wieder runter, wir müssen mit dem Pfarrer reden.«

    Pfarrer Arnsberger saß in der Bank vorne beim Altar neben den beiden Frauen und Johannes. Assauer und Hammer traten hinzu. Sie sahen, wie der junge Mann zitterte.
    »Das Mädchen heißt also Anna Friese«, sagte Assauer.
    »Ja«, antwortete der Pfarrer. »Sie ist die Tochter eines Zahnarztes. Er hat seine Praxis in Passau, seine Frau ist Verkaufsleiterin in einer Firma in Ruhstorf. Die Familie wohnt aber hier in Rasting. Sie haben vor Jahren einen alten Bauernhof gekauft. Die Frau ist passionierte Reiterin, hat auch ihr Pferd hier stehen. Die Gegend ist ja ideal.«
    »Haben Sie sie auch gekannt?«, wandte sich Assauer an den jungen Mann, der, reichlich blass um die Nase, in der Bank saß.
    Der nickte. »Ja, ich leite die Jugendgruppe, seit ich hier bin. Da ist …«, er korrigierte sich, »da war Anna auch dabei. Sie war eher eine von der ruhigen Sorte.« Nach einer Pause setzte er hinzu: »Ich versteh’s nicht. Ich versteh’s einfach nicht.«
    Assauer ließ ihn. Er wandte sich den beiden Frauen zu. »Wer hat sie denn gefunden?«
    »Ich«, antwortete Angelika Goller. »Ich wollt’ bloß schnell zum Grab von meinem Mann, da hab’ ich sie liegen sehen.«
    Assauer nickte. »Geben Sie bitte dem Kollegen draußen Ihre Adresse und gehen Sie heim. Und Sie«, wandte er sich an Johannes, »gehen, glaub’ ich, auch besser.«
    Er schaute ihnen hinterher, als sie weggingen. Gut aussehend war der junge Mann, jung, schlank, sportlich, dunkle Haare. Ein Frauentyp. Keiner, bei dessen Anblick man auf einen angehenden Priester mit Zölibat kam.
    Hammer sagte nichts. Erst als die Kirchentür hinter Johannes und den Frauen zuschlug, fragte er, mit einer Geste Richtung Turm: »Kann da jeder einfach so rauf?«
    »Der Schlüssel hängt immer am Brett neben der Tür«, antwortete der Pfarrer achselzuckend.
    »Stimmt, da hängt er, ich hab ihn gesehen, wie ich rauf bin«, bestätigte Assauer. »Sehr sinnvoll.«
    »Da vorn zur Sakristei kommt doch keiner hin«, entgegnete der Pfarrer entschuldigend.
    »Kürzlich muss aber ein ganzer Haufen Kinder oben rumgelaufen sein. Da sind jede Menge Fußspuren.«
    »Ja, am Donnerstag«, erklärte Pfarrer Arnsberger, »eine Schulklasse, wegen der Fledermäuse. Es kommen öfter Klassen deswegen.«
    Hinter ihnen ging die Tür auf. Zwei Kollegen von der Spurensicherung mit ihren Koffern. ›Ernie und Bert‹, wie sie allgemein nach zwei Figuren aus der Sesamstraße, denen sie nicht unähnlich waren, genannt wurden. Ernie klein, mit breitem Gesicht und Quäkstimme, Bert hoch aufgeschossen, mit Eierkopf und
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