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Acht Tage im August

Acht Tage im August

Titel: Acht Tage im August
Autoren: Michael Winter
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Relais, wie ein Österreicher, drum bist’ auch schon mit einem Kaffeeautomaten überfordert«, kam es zurück.
    »Die Maschine verstößt gegen den Heimtückeparagrafen«, beendete Assauer die Flachserei mit seinem Gegenüber, stellte den Becher mit dem Kaffeerest auf den Schreibtisch und rückte seinen Stuhl vor den Computer, um weiter auf eBay zu stöbern. Ein stinklangweiliger Freitagabend zwischen abgewetzten Möbeln in diesem kahlen Büro war das Letzte, was er brauchte.
    Das Telefon schrillte.
    »Ich nehm’s schon, du bist ja schwer verletzt«, sagte sein Kollege und hob ab.
    »Kripo Passau, Hauptkommissar Hammer«, meldete er sich und horchte in den Hörer.
    »Ja und, da gehört sie doch hin«, sagte er nach einem Moment. Dann: »Ach so, da gehört sie jetzt eher nicht hin. Wir kommen.« Er legte auf.
    »Was ist los?«, fragte Assauer.
    »In Rasting liegt eine Tote auf dem Friedhof.«
    »Ja und, da gehört sie doch hin.«
    »Die liegt aber nicht im Grab, sondern oben drauf .«
    »Ach so, da gehört sie wirklich eher nicht hin.«
    »Fahren wir«, schloss Maximilian Hammer den Dialog.
    Sie waren keine halbe Stunde unterwegs, da tauchte nach einer Kuppe Rasting vor ihnen auf. Assauer sah ein paar Vierseithöfe, ein Gewerbegebiet, Wohnhäuser mit riesigen Gärten, einen Bau, der unverkennbar eine Brauerei darstellte und die barocke Kirche, die das Ortsbild beherrschte. Die überschwemmte Trasse einer halb fertigen Umgehungsstraße links von ihnen glich einem breiten Fluss, aus dem Baumaschinen wie Inseln hervorragten, und die überschwemmten Wiesen und Felder ringsum veranlassten Assauer zu der bissigen Bemerkung: »Das ist ja das reinste Feuchtbiotop!«
    Als sie das Ortsschild passiert hatten und durch die schmucke Hauptstraße fuhren, wandte sich Hammer, der am Steuer saß, zu ihm, rieb Daumen und Zeigefinger aneinander und meinte: »Da ist ganz schön Geld daheim.«
    »Ja, schaut aus wie’s Mündungsgebiet von einem Subventionsfluss«, versetzte Assauer, der nach der Abzweigung zur Kirche Ausschau hielt.
    »Da, wo wir grad hinfahren, ist alles Geld gar nix wert«, stellte Hammer trocken fest, bog links ab und hielt gleich darauf an der Friedhofsmauer.
    »Respekt vor deiner Orientierung, ich hätt’s nicht so schnell gefunden«, meinte Assauer im Aussteigen anerkennend.
    »Bayerisches GPS, der Friedhof ist immer neben der Kirch’ und neben der Kirch’ ist immer das Wirtshaus und das findet ein Bayer im Schlaf«, erklärte Hammer, deutete auf den Gasthof Rastingerbräu hinter ihnen, schob sich aus dem Fahrersitz, schlug die Tür zu, ging nach hinten ans Auto, öffnete den Kofferraum und nahm ihre ›Feuchtbiotop-Ausrüstung‹, wie er sich ausdrückte, heraus.
    Das Blaulicht eines Krankenwagens, das grelle Licht zweier Scheinwerfer und das schwache Abendrot, das durch die stellenweise aufgebrochenen Wolken drang, ließen die Wassertropfen auf der Plastikplane am Grab seltsam schimmern, wenn ein Windhauch darüberfuhr. Durch diese halb transparente Folie hindurch erschien der blasse Mädchenkörper wie eine liegende Steinfigur, die zu der Grabplatte darunter gehörte.
    Ein älterer uniformierter Kollege hatte Hammer und Assauer kommen sehen und hergeführt. »Nix Schönes«, hatte er nur kopfschüttelnd gesagt. Beide hatten mit den Achseln gezuckt und waren wortlos hinter ihm hergetrottet. Jetzt standen auch sie in der roten Pfütze, mit Dienst-Gummistiefeln aus dem Kofferraum ihres Polizeiwagens. Der Uniformierte zog die Plane zur Seite.
    »So ein junges Mädchen«, murmelte Hammer leise.
    »16«, sagte eine Stimme hinter ihnen, »Anna Friese, die Tochter von einem Zahnarzt, der hier im Ort wohnt.« Es war Monika Erdmann, die noch vor ihnen eingetroffen war. Klein, kugelig, mit runder Nickelbrille, in weißen Gummistiefeln und rotem Umhang mit Kapuze, hätte man sie an diesem Ort für einen deplacierten Gartenzwerg halten können. Tatsächlich war sie die vermutlich beste Gerichtsmedizinerin in Deutschland, blitzgescheite Autorin zweier Standardwerke und doch zufrieden in der niederbayerischen Provinz. Sie mochte Städte nicht, hieß es, und Menschen noch weniger. Beides stimmte. Das Letztere diagnostizierte sie bei sich selbst als nicht therapierbare Berufskrankheit.
    »Und?«, fragte Hammer.
    Die Ärztin machte eine Kopfbewegung nach oben, zur Schallöffnung im Kirchturm. »Auf den ersten Blick würd’ ich sagen, sie ist da runtergesprungen.«
    »So? Nackt?«, fragte Hammer. »Wer springt denn
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