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Acht Tage im August

Acht Tage im August

Titel: Acht Tage im August
Autoren: Michael Winter
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Hals und gab ihm einen Apfel zu fressen. Dann machte er sich wieder an die Stallarbeit.
    Als Walter Friese eben den letzten Schubkarren Heu wegfuhr, es war gegen neun, kam Claudias Auto durch die Einfahrt. Friese stellte den Schubkarren ab, ging zum Wagen, öffnete die Fahrertür und erschrak beim Anblick seiner Frau. Bleich, mit verlaufenem Make-up und zerlegenem Haar, sah sie aus wie ein Gespenst. Er half ihr auszusteigen, legte seinen Arm stützend um ihre Taille und sagte: »Gehen wir ins Haus.«
    Wie eine Puppe ließ sie sich ins Wohnzimmer führen, ließ dort ihre Handtasche zu Boden gleiten, meinte: »Ich komme gleich«, und zog sich am Treppengeländer in den ersten Stock hoch. Als Friese mit ihrem Koffer vom Auto zurückkam, hörte er oben die Dusche laufen.
    Eine halbe Stunde später, als Claudia, äußerlich wiederhergestellt, in einem bodenlangen Bademantel, mit frisch geföhntem Haar, herunterkam, traf ihre große Ähnlichkeit mit Anna Walter Friese wie ein Messerstich. Bei allem Altersunterschied hätte man Mutter und Tochter bei flüchtigem Hinsehen für Zwillinge halten können, so sehr hatte Anna in Aussehen und Haltung ihrer Mutter geglichen. Sie setzten sich auf die Couch und Claudia Friese erzählte, wie sie die halbe Nacht irgendwo auf einem Parkplatz im Auto geschlafen und sich dann in den frühen Morgenstunden durch immer dichter werdenden Ferienverkehr mit diversen Staus nach Hause gekämpft hatte.
    Walter Friese nahm seine Frau in den Arm und wiederholte, was er ihr am Vorabend nur am Telefon hatte sagen können. Wann und wie Anna gestorben war, das Wenige, was ihm die Polizei offenbart hatte, dass er nicht die mindeste Ahnung hatte, warum ihr Kind in den Tod gegangen war. Die Haushälterin, fügte er noch hinzu, habe er heimgeschickt, sie werde erst am Dienstag wiederkommen, Montag habe sie ja ohnehin frei. Claudia war einverstanden, auch sie wollte niemanden um sich haben an diesem Wochenende. Den Rest des Vormittags füllten sie mit irgendwelchen Tätigkeiten auf ihrem Hof, die mehr oder weniger planlos waren, sie aber wenigstens zeitweise vom Grübeln abhielten.

    Kurz vor zwölf, Claudia stand gerade in der Küche und goss Tee auf, bog ein Auto in den Hof ein. Zwei Männer stiegen aus. Walter kam aus der Scheune, begrüßte die beiden. Er schien sie zu kennen. Claudia sah sie sich kurz unterhalten, dann kamen sie auf das Haus zu. Besucher waren das Letzte, was sie jetzt brauchte, sie nahm ihren Tee und verschwand nach oben in ihr Zimmer.

    Assauer und Hammer folgten Walter Friese ins Haus.
    »Meine Frau ist heute Früh angekommen«, sagte er beim Hineingehen. »Sie wird oben sein, ich gehe sie holen.«
    Als der Mann gebeugt und mit offensichtlicher Mühe die Treppe in den ersten Stock hinaufstieg, schien es Assauer, als sei der Riese über Nacht geschrumpft.
    Es dauerte geraume Weile, bis er mit Claudia Friese herunterkam. Sie hatte verweinte, rotgeränderte Augen und klammerte sich an ihren Mann, während beide die Treppe heruntergingen.
    »Maximilian Hammer, Hauptkommissar und das ist mein Kollege Hauptkommissar Assauer«, stellte Hammer sie beide vor. »Wir versuchen herauszufinden, wie es zum Tod Ihrer Tochter gekommen ist.«
    Assauer fiel ein Stein vom Herzen, dass Hammer wieder das Reden übernahm. Er selbst hätte bei Claudia Frieses Anblick kein Wort rausgebracht. Er musste sich zwingen, die Frau nicht unverhohlen anzustarren. Er registrierte, dass Hammer sich eine hohle Beileidsbekundung verkniff und gleich zur Sache kam.
    »Wenn Sie heute aber lieber allein sein möchten, können wir natürlich ein andermal wiederkommen«, hörte er ihn sagen.
    Claudia schüttelte stumm den Kopf. Sie ließ sich auf der Couch nieder, saß vornübergebeugt da, Ellenbogen auf den Knien, und hielt das Teehaferl, das sie mit herunter gebracht hatte, in beiden Händen, als wollte sie aus dessen Wärme einen Rest Energie für sich gewinnen.
    »Bitte«, sagte sie leise, »nehmen Sie Platz.«
    Sie saßen einen Moment schweigend um den Wohnzimmertisch. Schließlich stellte Claudia Friese ihr Haferl ab, griff nach einer Packung Tempotaschentücher auf dem Tisch, zog eines davon heraus, wischte sich die verheulten Augen und sah zu Hammer, der ihr gegenübersaß. Eine Wandlung ging in ihr vor. Sie richtete sich auf, saß kerzengerade da.
    »Sagen Sie, was zu sagen ist«, ihre Worte klangen hart, beinahe unpersönlich, empfand Assauer.
    »Es gibt zurzeit noch nicht viel zu sagen«, begann Hammer, »aber dem
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