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Ach waer ich nur zu Hause geblieben

Ach waer ich nur zu Hause geblieben

Titel: Ach waer ich nur zu Hause geblieben
Autoren: Kerstin Gier
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»Tür ist porta. Und was heißt Salzstreuer?«
    »Säga di nerva«, sagt Vivi.
    »Hm? Sale saliere heißt es«, ruft Gina.
    »Und was heißt Vorschlaghammer?«, fragt Vivi und reibt sich über die Schläfen.
    In diesem Restaurant gibt es nur ein einziges Menü, das heißt, alle Gäste essen das Gleiche. Und es wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Das Restaurant ist ein Geheimtipp unseres Vermieters gewesen, und es hat auch einen Stern im Michelin oder so. Wir hatten großes Glück, einen Tisch zu bekommen. Ein gewisses Risiko birgt der Besuch hier natürlich, da sich das Restaurant auf alte ligurische Speisen spezialisiert hat, aber bis jetzt sind noch keine gebratenen Singvögelchen serviert worden.
    Diesmal bringt der Maitre – es gibt keinen Kellner hier, es serviert der Herr des Hauses persönlich, während die Damedes Hauses mit ein paar Helfern in der Küche das Essen zaubert – eine köstlich duftende Auflaufform an unseren Tisch. Gut gelaunt erklärt er uns, was darin ist. Auf Italienisch. Wir lächeln ganz begeistert, warten, bis er wieder weg ist, dann fragen wir alle drei auf einmal: »Was hat er gesagt?«
    »Fagioli«, sagt Vivi. »Bohnen.«
    »Bohnen stimmt schon mal«, sage ich, nehme mir etwas davon auf meinen Teller und schnuppere diskret. »Und miele, Honig, hat er gesagt.« Endlich habe ich nämlich auch mal was verstanden.
    »Nein, er hat biella gesagt, nicht miele «, verbessert mich Gina. » Biella fagioli. Und das heißt weiße Bohnen.«
    »Weiß heißt bianco«, sagt Vivi.
    »Dann heißt biella eben hell«, sagt Gina leicht aggressiv.
    »Hell heißt chiara«, sagt Vivi.
    »Manchmal gibt es auch zwei Wörter mit ein und derselben Bedeutung«, blafft Gina sie an. »Warum musst du eigentlich immer meine Kompetenz anzweifeln?«
    Die Leute vom Nachbartisch gucken zu uns hinüber.
    »Welche Kompetenz?«, fragt Vivi.
    »Guten Appetit«, sage ich tadelnd. »Und jetzt benehmt euch mal. Was sollen denn die Leute von uns denken?«
    »Appetissimo«, sagt Gina.
    »Das … – ach egal«, sagt Vivi.
    Wir essen unsere weißen Bohnen mit einer sehr pikanten Honig-Kräuter-Soße und sagen »hmmmm!«, was wohl in jeder Sprache das Gleiche bedeutet.
    »Delizioso!«, sagt Gina mit vollem Mund. »Aber biella heißt auf jeden Fall hell.«
    »Von mir aus«, sagt Vivi.
    » Biella kann ja hell heißen«, sage ich und ignoriere Vivis warnenden Blick. »Aber er hat miele gesagt und nicht biella, da bin ich ganz sicher.« Das hätte ich besser nicht gesagt. Denn jetzt kann Gina einfach nicht mehr aufhören, das Wort biella zu sagen.
    »Biella«, sagt sie. » Biella, nicht miele. Biella. Hell!«
    Vivi und ich tauschen einen besorgten Blick. Ginas Besessenheit von dem Wort biella hat allmählich etwas Beängstigendes, in ihren Augen blinkt unverkennbar ein Hauch von Irrsinn. Aber vielleicht hört sie ja wieder auf, wenn man ihr nicht mehr widerspricht. Ich zucke also mit den Achseln und sage: »Von mir aus hat er biella gesagt.«
    »Ja, und biella heißt hell«, sagt Gina. »Schade, dass du das Wörterbuch nicht dabei hast, Vivi.«
    Vivi knirscht mit den Zähnen. Man kann es nicht hören, aber ich sehe, wie ihre Kiefer aufeinandermahlen. »Es ist sicher gut, dass ich es nicht dabei habe«, sagt sie. »Denn sonst würde ego wohl haua das Bucha auf dein Kopfa ganz festa.« Sie flüstert es nur, aber Gina hört es trotzdem.
    »Kopf heißt capo «, sagt sie. »Buch heißt libro. Und biella heißt hell.«
    »Wir glauben dir doch auch so«, sage ich zu Gina.
    Aber Gina glaubt nicht, dass wir ihr glauben. Und das ärgert sie.
    Es gibt noch vier weitere Gänge. Jeder einzelne Bissen schmeichelt der Zunge, sogar beim Kanincheneintopf, der auf meiner Liste »Was ich lieber nicht essen möchte« gleich nach den Singvögelchen, Hammelhoden und Froschschenkeln kommt.
    Zu jedem Gang gibt es eine Karaffe wunderbaren Weins.
    Es könnte wie im Himmel sein, wenn Gina nicht ununterbrochen reden würde. Und zwar über biella.
    » Salsa biella, das gibt es ja auch«, sagt sie. »Helle Soße. Biella heißt hell. Ich wette mit dir, dass ich recht habe, Vivi. Um tausend Euro.«
    »Und wie viel muss man dir zahlen, damit du mal das Thema wechselst?«, fragt Vivi.
    »Oh, ich verstehe«, sagt Gina. »Da fühlt sich wohl jemand auf den Schlips getreten, hm?« Sie lacht. »Was heißt Schlips auf Italienisch?«
    Vivi kippt ihren guten Wein in einem Zug hinunter und schenkt sich noch ein Glas nach. »Ego non wissa«, sagt sie.
    »Cravatta«, sagt
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