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Ach waer ich nur zu Hause geblieben

Ach waer ich nur zu Hause geblieben

Titel: Ach waer ich nur zu Hause geblieben
Autoren: Kerstin Gier
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am besten, wenn sich nachts um drei endlich mal eine geschlossene Schneedecke auf der Fahrbahn bildet und man zu schliddern anfängt.
    Frank jedenfalls freut sich. Er schliddert das Auto auf einen Parkplatz und zerrt die Schneeketten unter den Koffern hervor.
    »Sekundenschnelle Montage dank patentiertem Easy-Click-System«, liest er laut die Verpackung vor.
    Ich bin dafür, dass wir auf den Schneepflug und den Streuwagen warten und solange ein bisschen schlafen. Aber weder Mann noch Kind sind meiner Meinung. Das Kind will hinaus in den Schnee, und Frank will das Easy-Click-System testen.
    Er meint, wenn wir einschliefen, würden wir möglicherweise erfrieren, was lächerlich ist, denn die Temperaturanzeige im Armaturenbrett zeigt genau null Grad. Der Schnee wird vermutlich bald in Regen übergehen.
    Aber es wäre grausam von mir, Frank den Spaß zu verderben. Er ist so glücklich, endlich mal die Schneeketten montieren zu dürfen. Frank wirft nämlich sein Geld nur ungern für Dinge zum Fenster heraus, die er nie braucht.
    »Das Leben ist ein Abenteuer«, sage ich also und setze halbherzig hinzu: »Soll ich dir helfen?«
    Aber das brauche ich nicht. Das patentierte Easy-Click-System ist sogar mit einer Hand zu montieren, sagt Frank, und Frank ist sowieso der geschickteste Mann, den ich kenne.
    Das Kind und ich bauen im Dunkeln einen Schneemann.Der nasse Schnee klebt wunderbar. Nach ungefähr neunhundert Sekunden ist der Schneemann fertig.
    Wir gucken, was Frank und die sekundenschnelle Montage machen. Frank ist neben dem linken Vorderreifen eingeschneit, in gebückter Haltung, die Schneeketten in der Hand.
    »Es macht einfach nicht klick «, sagt er verzweifelt.
    »Vielleicht sollten wir doch auf den Schneeräumer warten und so lange …«, sage ich, aber Frank unterbricht mich: »Ich hab’s doch gleich!«, ruft er.
    Es ist mir klar, dass der Urlaub gelaufen ist, wenn Frank die sekundenschnelle Montage der Schneeketten nicht gelingt. Also bauen wir noch einen Schneemann. Und eine Schneefrau, zwei Schneekinder und einen Schneehund. In der Zwischenzeit ist der Schnee in Regen übergegangen. Es wird allmählich hell.
    »Fertig«, ruft Frank. »Wir können weiter.« Unsere durchnässten Klamotten sorgen für ein paar Pfützen im Auto und für beschlagene Fenster. Das Kind seufzt zufrieden, Frank sagt: »Man muss nur den Dreh einmal raushaben, dann geht es wirklich in Sekundenschnelle.«
    »Beim nächsten Mal«, sage ich und: »Hauptsache, es hat überhaupt geklappt, und wir können endlich weiter.«
    Gerade als wir losfahren wollen, kommt ein Räumungsfahrzeug über den Parkplatz gefahren und schiebt den Schneematsch zur Seite. Hinter ihm streut ein weiteres Fahrzeug Salz. Die Temperaturanzeige steht auf zwei Grad über null.
    Frank macht den Motor wieder aus und sieht mich an.
    Ich sage kein Wort.
    »Ich mach die Dinger wieder ab«, sagt Frank. »Es geht auch ganz schnell.«
    Ja, reisen ist schöner als ankommen.
    Trotzdem stelle ich mir manchmal vor, wie herrlich es wäre, wenn man einfach das Haus samt Bewohnern nehmen und am Ferienort wieder hinstellen könnte. Einfach klick!, und man ist schon da, ganz ohne plattgesessenen Hintern und eingeschlafenen Fuß. Keine Fahrzeit, keine Schneeketten, keine Angst, nicht genug Unterhosen eingepackt zu haben. Sekundenschnelles Reisen mit dem patentierten Easy-Click-System. Irgendwann wird das mal jemand erfinden.

Im Schatten der Olivenbäume
oder warum mein Biorhythmus nicht mehr richtig tickt
    Die Tochter meiner Freundin Vivi konnte jahrelang nur schlafen, wenn man sie durch die Wohnung trug und dabei »Somewhere over the rainbow« summte. Mein Sohn schlief überhaupt nicht, wenn man von den zehn Minuten-Nickerchen mal absah, die er ab und an einlegte, bevorzugt beim Autofahren. Als die Kinder zwei Jahre alt waren und Vivi und ich in der gleichen Zeit um vierzig Jahre gealtert, sahen unsere Männer ein, dass wir dringend Urlaub brauchten, und zwar ohne die Kinder. Und auch ohne die Männer, denn die mussten solange auf die Kinder aufpassen.
    Wir mieteten ein kleines Häuschen in der Provence und wollten dort eigentlich eine ganze Woche lang nur eins tun: schlafen. Nebenbei wollten wir schon am helllichten Tag Wein trinken, im Schatten der Olivenbäume sitzen und lesen. Ach ja, und wenn dafür noch Zeit blieb, mit den Beinen im Pool baumeln und über unsere Schwiegermütter lästern, die nicht müde wurden, uns zu erzählen, dass ihre Kinder jede Nacht zwölf Stunden
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