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Ach waer ich nur zu Hause geblieben

Ach waer ich nur zu Hause geblieben

Titel: Ach waer ich nur zu Hause geblieben
Autoren: Kerstin Gier
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flüsterte Vivi, als wir das Gekreische eingestellt und uns zwei Meter weiter zurückgezogen hatten. »Ich will noch nicht sterben.«
    Ja, was sollten wir machen? Zu Hause habe ich für Spinnen, die sich beispielsweise in die Badewanne verirren, ein handliches kleines Plastikgerät, das »Snappy« heißt. Denn Spinnen sind nützlich, und außerdem sind sie »Gottes kleine Kreaturen«, wie meine Mutter immer sagt. Snappyermöglicht es, das nützliche Tier vorsichtig einzufangen und draußen wieder auszusetzen, ohne ihm näher als einen Meter kommen zu müssen. Ich bin froh, dass ich Snappy habe. Und ich habe Frank. Frank kann gut mit Snappy umgehen.
    Aber jetzt waren Frank und Snappy tausend Kilometer weit weg, sie konnten uns nicht helfen.
    »Wir könnten ihn an der Wand zerquetschen«, sagte Vivi.
    »Ja«, sagte ich. »Die Frage ist nur, wie.«
    »Wir nehmen dieses Buch da«, sagte Vivi und zeigte auf den Bildband, der vor dem Sofa auf dem Tisch lag. Mit der provencalischen Küche durch die vier Jahreszeiten. Es gehörte Heini, und ich gab zu bedenken, dass er es sicher nicht gut fände, wenn ein toter Skorpion an seinem Buch klebte.
    »Das ist mir so was von egal«, sagte Vivi. »Ich bleibe hier nur eine Woche, keine vier Jahreszeiten. Es ist außerdem auch Heinis Skorpion.«
    Wir starrten das Tier eine Weile an. Wie konnte ein so winziges Geschöpf nur so unglaublich böse und gefährlich aussehen?
    »Es ist sicher nützlich und außerdem Gottes kleine Kreatur«, sagte ich trotzdem.
    »Nützlich?«, sagte Vivi. »Du meinst, weil er Würmer isst?«
    »Ja, zum Beispiel«, sagte ich. Eigentlich hatte ich keine Ahnung, was Skorpione so essen.
    »Sicher sehen die Würmer das anders«, sagte Vivi. »Abgesehen davon, dass sie auch sehr nützlich und überdies Gottes kleine Kreaturen sind.«
    »Ja«, sagte ich. »Manchmal muss man auch Partei ergreifen, nicht wahr? In diesem Fall für die Würmer.«
    »Und vielleicht ist das ja auch derselbe Skorpion, der letztes Jahr diesen armen Mann gestochen hat«, versuchte Vivi, unsere Wut weiter zu schüren.
    »Bestimmt sogar«, sagte ich. »Also los, zerquetschen wir ihn.«
    »Du bist aber dran«, sagte Vivi. In unserem letzten gemeinsamen Urlaub vor drei Jahren hatte sie nämlich eine tote Maus aus der Badewanne entfernt.
    Ich verzichtete darauf, sie darauf hinzuweisen, dass eine tote Maus wohl kaum mit einem lebendigen Skorpion zu vergleichen war, sondern machte einen Ausfallschritt und grabschte das schwere Buch vom Couchtisch.
    »Das war schon mal super«, sagte Vivi. »Und jetzt wirf, so fest du kannst.«
    Das tat ich auch. Ich warf das Buch, so fest ich konnte, an die Wand. Direkt neben den Skorpion. Beide, Skorpion und Buch, fielen zu Boden. Und der Kandinsky auch.
    »Daneben!«, kreischte Vivi. »Du dämliche Kuh!«
    »Selber! Wo ist der Skorpion?«, kreischte ich zurück.
    »Keine Ahnung!«, kreischte Vivi. Und da hielten wir es nicht länger aus und rannten kreischend aus dem Haus und hinüber zu Heini.
    Heini schimpfte nicht wegen des Kandinskys und auch nicht wegen des Kochbuchs. Er schimpfte nur wegen der Skorpione. Das ganze Leben könnten sie einem verleiden, diese Biester, und allmählich habe er es wirklich satt, dass sie auf seinem Grundstück ihr Unwesen trieben. In Deutschland sei zwar das Wetter immer beschissen, aber Skorpionegäbe es da wenigstens nicht. Während er das Bild wieder aufhängte und das Buch auf den Couchtisch zurücklegte, sah ich genau, wie seine Hände zitterten.
    »Am besten, wir verkaufen den ganzen Mist hier und gehen zurück nach Fuhlsbüttel«, murmelte er.
    »Aber erst wollen wir doch diesen Skorpion finden, nicht wahr, Heini?«, sagte ich, ganz ohne zu kichern.
    Heini machte nicht den Eindruck, als wäre er besonders scharf darauf, den Skorpion zu finden. »Wahrscheinlich lauert er hinterm Sofa. Wussten Sie, dass man von einem Skorpionstich ein Leben lang gelähmt bleiben kann?«
    Vivi und ich tauschten einen besorgten Blick. Offenbar hatte Heini gerade eine Lebenskrise. Und wer sollte dann bitteschön unseren Skorpion aufspüren? Glücklicherweise wusste Vivi, was in so einem Fall zu tun war.
    »Ach, Heini! Sie sind ein wirklich mutiger Mann«, sagte sie mit einem entzückenden Augenaufschlag. »Wir wüssten gar nicht, was wir ohne Sie tun würden. Natürlich wissen wir, dass die Angst vor so einem kleinen Skorpion lächerlich ist, aber wir sind eben Frauen …«
    Da gab Heini seine Rückwanderungspläne nach Fuhlsbüttel
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