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Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 2

Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 2

Titel: Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 2
Autoren: Kerstin Gier
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dem Auto fahren musst«, sagt Frank.
    »Das ist nicht dasselbe«, sage ich.
    »Das stimmt«, sagt Frank. »Denn in diesem Fall zahlst du das Benzin.«
    »Ich muss los«, sage ich. »Und sei bitte nett, wenn ich gleich zurückkomme.«
    »Ich bin doch immer nett«, sagt Frank.
    Ich erkenne Chris sofort an dem braunen Schafswollpullover und den langen Haaren, die in Dreadlocks auf seine Schultern fallen, genau wie damals.
    »Du hast dich kein bisschen verändert«, sagt er, als ermich umarmt, und unterschlägt charmant die fünfzehn Kilo, die ich seit unserem letzten Treffen zugenommen habe.
    »Du auch nicht«, sage ich, meine aber vor allem den Pullover. Das kann doch unmöglich noch derselbe sein wie vor vierzehn Jahren?
    Chris’ Frau Hanna ist eine ernst dreinschauende Person mit Dreadlocks, und sie hat haargenau den gleichen Pullover an. Das Baby auch. Offenbar liegt Chris’ Partnerwahl die Devise »Gleich und gleich gesellt sich gern« zu Grunde, und nicht: »Gegensätze ziehen sich an«, wie bei Frank und mir.
    »Ist das nicht ein bisschen warm im Wollpullover?«, frage ich, als wir das Gepäck im Kofferraum meines Opel Agila verstaut haben.
    »Nein«, sagt Hanna. »Naturbelassene Schafswolle ist atmungsaktiv, bei Kälte wärmend, bei Wärme hitzeausgleichend!« Sie steigt mit dem Baby hinten ein. »Ach du liebe Güte, es ist ewig her, dass ich in so einer Dreckschleuder gesessen bin.«
    »Sie hat einen Katalysator«, sage ich, und da lachen Chris und Hanna, weil ich glaube, dass mein Auto keine Dreckschleuder sei, nur weil es einen Katalysator hat.
    Als ich den Rückwärtsgang einlege und losfahre, steigt mir der vertraute Geruch von Schafspipi in die Nase.
    »Wie viel PS hat denn so ein Ding?«, fragt Chris. »Und wie viel Sprit verbraucht es?«
    »Nicht viel mehr als ein Pferd«, sage ich. Ich hätte besser auch ein bisschen ätherisches Orangenöl im Auto versprüht, dann wäre ich vielleicht ein bisschen entspannter.
    »Dass man sich freiwillig so eine widerliche Dreckschleuderantut«, sagt Hanna. »Auf deinem Grabstein wird stehen: Sie trug eine Mitschuld an der Klimakatastrophe.«
    Ich sage, dass ich auf die Dreck…, äh, das Auto nicht verzichten könne, da es bei uns weder öffentliche Verkehrsmittel noch Geschäfte gebe. Chris und Hanna sagen, das seien die typischen Ausreden von Umweltverschmutzern. Konsequenter Umweltschutz bedinge eben immer auch kleinere Opfer in Bezug auf den persönlichen Komfort.
    Da haben sie natürlich recht.
    »Was ist denn mit dem guten alten Fahrrad?«, fragt Chris.
    Ich sage, für das gute alte Fahrrad benötigte ich bei Steigungen von fünfzehn Prozent deutlich mehr Kondition, als mir zur Verfügung stünde, und überdies gebe es hier keine Radwege, dafür überdurchschnittlich starken LKW-Verkehr. Ich füge noch hinzu, dass ich es mir schwierig vorstelle, auf dem guten alten Fahrrad zusammen mit einem Kind, einem Kasten Wasser und einem Einkaufskorb überhaupt noch die Balance zu halten, aber das geht bereits in Chris’ und Hannas Hohngelächter unter.
    »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg«, sagt Chris. »Alles Ausreden.«
    »Und Sprudelwasserkästen braucht heutzutage kein Mensch mehr«, sagt Hanna, während sie auf dem Rücksitz den Schafswollpullover hochklappt und das Baby zum Trinken an ihre Brust legt. »Mit einem vernünftigen Filtersystem kann jeder sein Leitungswasser von Chemikalien befreien und energetisieren. Ein Freund von uns hat da ein Patent drauf angemeldet.«
    Ich versuche, das Thema zu wechseln, indem ich sie nach ihren weiteren Reiseplänen frage.
    »Wir bleiben ein paar Tage hier im Bergischen«, sagt Chris. »Wir wollen uns einen Steinbruch anschauen, die Wuppertaler Schwebebahn, diverse Schlösser, Burgen und Kirchen. Ich hoffe, du hast ein wenig Zeit, uns zu chauffieren. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist es ja hier nicht so gut bestellt. Ich kann nicht verstehen, dass ihr dagegen noch keine Bürgerinitiative gegründet habt.«
    »Ich leihe euch auch gern das gute alte Fahrrad«, könnte ich sagen, aber das wäre eine billige Retourkutsche.
    »Montag fahren wir weiter zu Hannas Onkel ins Sauerland, von dort zu einem Studienfreund von mir in der Holsteinischen Schweiz, dann zu einer Bekannten von Hanna nach Hamburg und von dort wieder nach Hause, mit einem Zwischenstop in Freiburg, wo wir bei meinen Eltern übernachten werden. Das Einzige, das wir bezahlen, sind die Bahntickets, aber mit Bahncard und Sparpreis hält sich das wirklich in
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