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Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 2

Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 2

Titel: Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 2
Autoren: Kerstin Gier
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könnte es möglich machen«, sagte meine Oma von drinnen. »Das Kind sollte vielleicht besser mit dem Putzeimer vorliebnehmen.«
    Helena sagte ungefähr siebzig Mal, dass sie es überhaupt nicht mehr aushielte. Mittlerweile musste ich auch mal Pipi.
    »Ich muss, ich muss, ich muss!«, sagte Helena.
    Mein Vater reichte Onkel Hermann den Putzeimer. Aber Helena wollte nichts vom Putzeimer wissen. Die Situation spitzte sich dramatisch zu.
    »Ich brauche ein richtiges Klo«, heulte Helena.
    »Sie braucht ein richtiges Klo«, heulte Tante Hannelore.
    Meine Schwester und ich ließen Helena nicht aus den Augen. Auf keinen Fall wollten wir den Augenblick verpassen, in dem ihre Blase platzte.
    »Mama! Jetzt ist es nicht mehr komisch!«, sagte meine Mutter streng an der Badezimmertür.
    »Ja, meinst du denn, ich finde so einen Dünnschiss komisch?«, sagte meine Oma von drinnen. »Aber manche Dinge muss man eben aussitzen.«
    Ich musste jetzt ebenfalls dringend.
    »Deine Enkeltochter muss auch mal«, sagte meine Mutter durch die Badezimmertür, diesmal mit einem Hauch von Schadenfreude in der Stimme. »Du kannst nicht da drinnen übernachten.«
    Ich hörte meine Oma grummeln, und ich begriff, dass ihre Mission scheitern würde, wenn sie jetzt aufschlösse.
    »Schon gut, Oma!«, rief ich. »Ich bin rustikal! Ich mache in den Putzeimer!«
    »Gutes Kind«, sagte meine Oma.
    Eine weitere Viertelstunde später wurde Helena trotz meines guten Vorbildes hysterisch. »Ich! Will! Ein! Richtiges! Klo!«, brüllte sie.
    Tante Hannelore fing vor Mitleid und Sorge an zu weinen. Onkel Hermann griff sich mehrmals ans Herz. Mein Vater bastelte ein komfortables Klosett, indem er den geleerten und gesäuberten Putzeimer unter einen Stuhl stellte, dessen Sitzpolster er entfernt hatte.
    Aber Helena wollte ein! richtiges! Klo!
    Meine Oma blieb hart.
    Schließlich zogen Onkel Hermann und Tante Hannelore sich an und trugen Helena, jede Erschütterung vermeidend, durch den tiefen Schnee auf die Toiletten des Grand-Hotels, das dreihundert Meter weiter lag.
    Große Enttäuschung machte sich breit: bei meiner Schwester und mir, weil wir nun immer noch kein Mädchen kannten, dessen Blase geplatzt war, und bei meiner Oma, weil sie ganz umsonst stundenlang auf dem Klo gehockt hatte. Seufzend kam sie aus dem Bad, in der Hand die Kanasterkarten. Offensichtlich hatte sie drinnen mit dem flotten Otto Karten gespielt.
    »Du bist eine Teufelin«, sagte meine Mutter.
    »Ich wollte dem Kind doch nur helfen«, sagte meine Oma. »Im Leben gibt es nämlich immer mal wieder Situationen, in denen man besser dran wäre, wenn man in einen Eimer pinkeln könnte. Merkt euch das.«
    Sie hatte ja so recht. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft in meinem Leben ich in eine Situation geraten bin, in der mich nur die Fähigkeit, in einen Eimer zu pinkeln, gerettet hat.

Über die Autorin:
     
    Kerstin Gier hat als mehr oder weniger arbeitslose Diplompädagogin 1995 mit dem Schreiben von Frauenromanen begonnen. Mit Erfolg: Ihr Erstling Männer und andere Katastrophen wurde mit Heike Makatsch in der Hauptrolle verfilmt, und auch die nachfolgenden Romane erfreuen sich großer Beliebtheit. Das unmoralische Sonderangebot wurde mit der »DeLiA« für den besten deutschsprachigen Liebesroman 2005 ausgezeichnet. Heute lebt Kerstin Gier, Jahrgang 1966, als freie Autorin mit Mann, Sohn, zwei Katzen und drei Hühnern in einem Dorf in der Nähe von Bergisch Gladbach.
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