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Abonji, Melinda Nadj

Abonji, Melinda Nadj

Titel: Abonji, Melinda Nadj
Autoren: Tauben flieggen auf
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Oooooh zur
Überraschungsplatte aus dem Zelt, wir kümmern uns nicht um die Männer, die
neben dem Zelt, an der Hauswand lehnen, uns mit verrutschten Augen ein paar
Sprüche nachschicken, wir eilen in Tante Mancis Sommerküche, ziehen uns rasch
um, und wir verlieren kein Wort darüber, wie erleichtert wir sind, als wir
wieder unsere Alltagskleider tragen, eine Sommerhose und ein T-Shirt.
    He, Ildi, sieh mal, da vorn
ist Gyula, sagt Nomi, als wir die Küchentür hinter uns schliessen, Gyula, einer
unserer Cousins, der schönste, mit wilden Augen, so sagt man, und wenn er nicht
unser Cousin wäre, ja dann, dann wären wir auch in Gyula verliebt, aber wo ist
er jetzt hin, frage ich, und wir gehen über den dunklen Innenhof, am
Schweinestall vorbei, und das vereinzelte Grunzen vermischt sich mit der Musik,
es ist immer noch warm, sagt Nomi, ja!, und wir bespritzen uns am Ziehbrunnen,
ich will wissen, wo dieser Gyula ist, sage ich, und wir gehen auf das
Hühnergatter zu, ein breites Gehege, das jetzt leer ist, pass auf die
Hühnerkacke auf, ruft Nomi, sonst liegst du auf dem Boden, und wir trippeln
vorsichtig über die rutschigen Pflastersteine, öffnen da, wo es am dunkelsten
ist, die Gattertür, stehen inmitten eines kleinen Schrottplatzes, Pneus,
Möbelteile, altes Spielzeug, sogar einen rostigen Auspuff gibt's da, ein Ort,
den wir nur tagsüber gut kennen, pssst! flüstere ich, da ist er, und Nomi und
ich, wir ducken uns hinter eine schiefe Kommode, wir halten den Atem an, weil
wir wissen, dass das, was wir sehen, nicht für unsere Augen bestimmt ist.
    Gyulas Hintern sieht aus wie
der volle Mond, flüstert Nomi nach einer Weile, aber im Gegensatz zum Mond
bewegt sich Gyulas Hintern vor und zurück, ziemlich schnell, und seine
heruntergelassene Hose sieht peinlich aus, aber das finden ja nur Nomi und ich,
die einzigen Zuschauerinnen, wir sollten besser wegsehen!, aber wenn wir schon
mal da sind, sage ich, und zum Glück ist es ziemlich dunkel, so dass man nicht
viel sieht, nur wie Gyula seinen Mond vor und zurück bewegt und wie er mit
seinen Händen Beine hält, die neben seiner Hüfte herunterhängen, und der
wirkliche Mond, der über uns hängt, ist nicht voll, sondern eine Sichel. Weisst
du, wer es ist, frage ich Nomi. Terez, antwortet sie, ziemlich sicher, die
haben sich die ganze Zeit schon so angeguckt. Was, Terez?, die ist doch
verheiratet! Ja genau, Terez ist verheiratet und Gyula ist verlobt, und ab und
zu hören Nomi und ich das vereinzelte Gegacker eines Huhnes, die Hühner träumen
wahrscheinlich auch, flüstert Nomi, aber sicher von nichts anderem als von
Maiskörnern, für etwas anderes sind sie zu doof. Und wir müssen uns andauernd
irgendwelchen Blödsinn zuflüstern, um uns von dem, was wir sehen, abzulenken,
von den Stöckelschuhen, die sich jetzt an Gyulas Schenkeln festklammern, von
den merkwürdig angestrengten Tönen, die sich die beiden hin- und herschieben,
und Nomi schmiegt sich eng an mich, sagt mir lachend ins Ohr, komm, wir wecken
die Hühner auf, Ildi, ich hab Lust, dass etwas passiert!
    Und danach, danach löst sich
die hintere Zeltplache, da, wo das Brautpaar gesessen ist, sie rutscht so weit
runter, dass man das Herz aus Nelken und die Heiligenbildchen nicht mehr
sieht, sondern den dunklen Innenhof. Unglück! rufen die einen, das kann nichts
Gutes bedeuten, an so einem Tag! Ach was!, hört doch auf!, Luft!, Zuversicht!,
Freiheit!, rufen die anderen, allen voran Tante Manci, sie klatscht in die
Hände, jetzt feiern wir erst recht! Und es werden gefüllte Paprikaschoten,
Kalbspaprikasch, Rinds-, Lamm-, Schweinepörkölt aufgetragen - und ich erinnere
mich genau an die paar Suppenspritzer am Anfang des Abends, Brotkrümel, die zu
Beginn des Festes noch unter den Tisch gewischt werden, ein paar wenige Gläser,
die aus Unachtsamkeit umfallen oder weil man mit schwärmerischen Armen nochmals
die Schönheit des Brautpaares beschreiben muss, die Zigaretten, die noch nicht
von Schuhspitzen ausgedrückt werden; aber es ist logisch, dass Ferkelsülze
glitschig ist, von einer etwas unsicher gehaltenen Gabel flutscht, und ist das
nicht eine grossartige Leber, wenn sie auf dem Tischtuch eine so mächtige Spur
hinterlässt? Ich erinnere mich genau, dass das Tischtuch bereits wild gefleckt
ist, die Männer hängende Kiefer haben, nach Bier schnippen, obwohl noch ein
halbvolles vor ihnen steht, als Vater sich auf dem Tisch abstützt — die Musiker
haben gerade die letzten Takte von Ich habe meine
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