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Abonji, Melinda Nadj

Abonji, Melinda Nadj

Titel: Abonji, Melinda Nadj
Autoren: Tauben flieggen auf
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fast nichts nicht an den Kopf geworfen, aber nach einer Weile
tänzelten sie fröhlich aufeinander zu, die Geiger Hessen ihre Bögen springen,
der Kontrabassist zupfte deftig auf seinen Saiten, und alle feuerten Onkel Móric
und Vater an, als wäre nichts gewesen, und nur Nomi und ich, wir wunderten uns
sehr.
     
    Die Familie Kocsis
     
    Letztes Jahr ist Mutter spät
nach Hause gekommen, mit einem offenen Gesicht, das gar nicht zum kalten
Herbsttag passte, und sie hat nicht geatmet, als sie sagte, ich habe eine Überraschung
für euch, wir bekommen die Cafeteria Mondial, die Tanners haben die
Hausvermieter überzeugt, die wollten eigentlich jemand anderen, aber wir haben
gewonnen, und ich glaube, dass Mutter dann lachen musste, weil sie "gewonnen"
gesagt hatte.
    Und an diesem Abend sitzen wir
ungewöhnlich lange am Tisch, Vater küsst Mutter sogar vor unseren Augen, er
hält ihre Hände, als wir besprechen, was das bedeutet, dass wir in dem Dorf, wo
wir seit dreizehn Jahren wohnen, ein Geschäft in bester Lage bekommen, direkt
beim Bahnhof mit perfekter Inneneinrichtung, zahlbarem Mietzins und Gartensitzplätzen.
Nomi, Mutter, Vater und ich feiern, es ist eigentlich gar nicht möglich, sagt
Mutter, es kommt mir immer noch unwirklich vor, so unwirklich wie Fische, die
fliegen; ich, die Mutter sagt, dass es Flugfische gibt, ziehe eine Zigarette
aus der Packung, Vater, der an diesem Abend wortlos zur Kenntnis nimmt, dass
nicht nur ich, sondern auch Nomi raucht.
    Eine neue Tapete muss her,
sagt Mutter, das ist ganz wichtig, und vielleicht eine schöne Wanduhr, meint
Vater, und logischerweise werden wir die Kaffeemarke nicht wechseln, alles,
nur das nicht!, und den Bäcker, den werden wir auch beibehalten -Vater, der
kochen wird, Mutter, die backen und den ganzen Bürokram erledigen wird, Nomi,
die je nachdem im Buffet oder im Service arbeiten wird, und ich, die an meinen
studienfreien Tagen aushelfen wird - wir sitzen an unserem Esstisch, aber nur
vordergründig, denn wir schweben an Jahren vorbei, mit einem Mal sind wir
nicht einen Schritt weiter, sondern einen riesigen Sprung, sagt Mutter, und in
ihren schönen Augen zeigen sich Bilder einer vergangenen Zeit, Mami als
Putzfrau, Kassiererin, Mädchen für alles, Wäscherin, Büglerin, Kellnerin,
Buffettochter, es war nicht immer einfach, sagen ihre Augen, aber es hat sich
gelohnt! Und weil Mutter vor fünf Jahren die Wirtefachschule geschafft hat,
konnten wir schon einmal eine Cafeteria übernehmen, aber was für eine!, in der
Stadt, in einer Seitengasse mit horrendem Mietzins, schlechter Lüftung, mit
der Küche im zweiten Stock, damals, als Nomi und ich nach der Schule immer
ausgeholfen haben, auch sonntags, unsere härteste Zeit, sagt Vater, zwei Jahre
lang kein einziger freier Tag, dieser Arschkopf von Besitzer hat gut an uns
verdient! — aber auch dieser Satz wiegt jetzt nicht mehr schwer, weil das
Glück, die Zukunft jetzt eine logische und gerechte Fortsetzung der Vergangenheit
sind — Mutter, die nach diesem Reinfall bei den Tanners anfing zu arbeiten, als
Buffettochter, im Mondial, vordergründig ein Abstieg, schmunzelt Mutter, das
hätte ich damals doch nie gedacht, dass sie mir einmal ihr Geschäft überlassen!
    Die Tanners haben eben
gemerkt, dass du nicht für dich denkst, sondern für sie, sagt Vater.
    Ach was, antwortet Mutter, die
Tanners wollten eine von ihren Töchtern als Nachfolge, aber die wollten eben
nicht, und vielleicht war noch ein bisschen Sympathie dabei, für mich, für
unsere Familie. Klingt das ungarische Wort für "Familie" für dich
nicht wie ein warmes, schönes Essen, will ich Mutter fragen. Vater, der sagt,
dass es garantiert auch nicht geklappt hätte, wenn wir keine Schweizer wären!,
und unser Leumund nicht topp tipp wäre, meint Mutter. Umgekehrt, sagt Nomi,
wieso kannst du dir das nicht merken, Mami, man sagt tipp topp! Ab heute merke
ich es mir, antwortet Mutter lachend, tipp topp, tipp topp, tipp topp, tipp
topp, gut so? Und Vater lässt den Korken der Champagnerflasche knallen, mit
einem Koffer und einem Wort sind wir in die Schweiz gekommen, und jetzt haben
wir einen roten Pass mit einem Kreuz und eine Goldgrube, hten lsten! Gott Gott!, ruft Vater, und
wir stossen an, klirrend, herzlich.
     
    Schwarzarbeiter ziehen sich
von Kopf bis Fuss schwarz an, ein Dieb muss sich ja tarnen, wenn er nicht
erwischt werden will, nur seine Augen bewegen sich rasch und hell hin und her,
in der Nacht. Die beliebtesten Schwarzarbeiter sind
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