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Abonji, Melinda Nadj

Abonji, Melinda Nadj

Titel: Abonji, Melinda Nadj
Autoren: Tauben flieggen auf
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winkt, bis wir nur noch wenige Schritte von ihr entfernt sind, panni neni, panni nenü, ruft Juli Mamika zu, ich habe
eine Nelke bekommen, sehen Sie nur, eine rote Nelke!, und Mamika begrüsst Juli
zärtlich, fährt ihr über die speckige Wange, sagt, du siehst hübsch aus, meine
Julika, Grossmutter sagt tatsächlich, richtig festlich siehst du aus!, und Nomi
und ich, wir schauen uns an, weil Mamika das wirklich ernst meint, wir haben
ziemlich sicher auch ein schlechtes Gewissen, weil wir uns bereits in einer für
alle anderen unhörbaren Sprache, die nur Geschwister miteinander teilen,
darüber verständigt haben, wie lächerlich Juli aussieht mit ihrem schief
hängenden Trägerkleid, ihren frisch abgeschnittenen Fransen, die trostlose rote
Blume, die hinter ihrem Ohr steckt, aber als Juli plötzlich mit einem Satz ganz
nah vor Nomi und mir steht, sie sich an keine Anstandsregel hält, als sie in
unsere erschrockenen Gesichter hinein sagt, ich bin die heimliche Braut!, mit
einer Miene, die mich in ihrer Feierlichkeit und Ernsthaftigkeit an die Heiligenbildchen
erinnert, die Mamika in ihrer Kredenz aufbewahrt, als Juli ihre Nelkenblüte
hinter dem Ohr hervorzieht und flüstert, seht nur, das ist mein kleiner,
verschlafener Trauzeuge, und wir beide müssen dringend bald etwas essen, da
finde ich Juli nicht mehr lächerlich, sondern unbegreiflich komisch und
beängstigend. Ihr bringt uns doch bald etwas zu essen, ja?, von allem ein
bisschen!, ruft sie uns nach, als wir die Tür zu Onkel Móric' und Tante Mancis
Haus hinter uns zuziehen.
    Nándor und Valeria, ein
wirkliches Fest in einer flimmernden Hitze, und das Fest hat eigentlich schon
morgens begonnen, in Mamikas Wohn- und Schlafzimmer, als wir unsere neuen
Festtagskleider aus dem Seidenpapier wickeln und auf Grossmutters Betten
auslegen; Nomi, Mutter und ich, wir haben uns stundenlang vor Spiegeln gedreht,
wir haben uns einen Nachmittag lang von zierlichen Damen beraten lassen, ob wir
mit unserem Geschmack richtig liegen, und wir haben uns davon überzeugen lassen,
dass man Kleider in ihrer Gesamtheit beurteilen muss, wir haben uns Kleider
gekauft, damit wir bei der Hochzeit unseres Cousins von hinten genauso schön
aussehen wie von vorn, und für Mamika hat Mutter ein schwarzes Kleid mit einem
dezenten Muster ausgesucht, Mamika, die seit dem Tod von Papuci, ihrem Mann,
nie etwas anderes getragen hat als Schwarz oder Dunkelblau, aber nie
irgendetwas mit Muster. Meint ihr, ich kann das tragen?, fragt sie und fährt
behutsam mit ihrer Hand über den Stoff, und Mutter hilft Mamika aus ihrem Alltagskleid,
ihr sollt nicht immer soviel Geld ausgeben für mich, sagt Mamika, als Mutter
ihr noch, nachdem sie ihr den Reissverschluss hochgezogen und den Kragen glatt
gestrichen hat, beiläufig eine Tasche in die Hand legt. Ich finde, Sie sehen
wunderschön aus, sagt Nomi, und das Muster ist ja nur ganz ganz winzig.
    Nándor und Valeria, die
Erinnerung an ein kochendes Hochzeitszelt, das im Innenhof von Tante Manci und
Onkel Móric aufgestellt worden ist, das wir Kinder am Tag vor der Hochzeit mit
Krepppapier und roten Nelken schmücken, Nomi und ich, die etwas unbeholfen am
Tisch sitzen, uns in Papierrollen verwickeln, uns von unserer sehr ernsthaften
Cou-Cousine zeigen lassen müssen, wie es geht, die einfachste Sache der Welt!
Lujza, die mit ihren kurzen Fingern (schwitzende Wurstfinger, sagen wir, auf
Schweizerdeutsch) die Papierrollen so rasch übereinanderlegt, als müssten wir
nicht nur das Zelt, sondern den ganzen Innenhof samt Haus dekorieren, ich
finde es erstaunlich, dass ihr so was nicht auf die Reihe kriegt, sagt Lujza,
ohne uns anzuschauen, ich dachte, ehrlich gesagt, dass ihr im Westen alles
könnt, und natürlich lästern Nomi und ich auf Schweizerdeutsch weiter über
sie, über ihre Flaschenbodenbrille und ihre naive Freude, dass sie die Schleppe
der Braut mittragen darf, bei uns gibt's gar kein Krepppapier mehr, sage ich
laut, und Nomi und ich zwinkern uns zu, drücken unsere Knie gegeneinander,
dann könnt ihr ja gar kein Zelt dekorieren, sagt Lujza und zieht das
ineinandergefaltete Papier auseinander, zeigt uns, indem sie den Kopf nach
hinten wirft, die rot-grün-weisse Girlande, Lujza, die die Leiter hinauffliegt,
die Girlande mit flinken Handbewegungen am Zelt befestigt, das wird ein
rauschendes Fest, sag ich euch, eine Hochzeit, von der man noch lange reden
wird, und sie zeigt auf das Zelt, das fast fertig geschmückt ist, die
Papiergirlanden, die in
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