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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust
Autoren: Robin Schone
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hinausgehen konnte … um die Blumen zu sehen.«
    Gabriel starrte finster in seine Vergangenheit, von Victorias Körper und ihren Worten in der Gegenwart verankert.
    »Im Sommer …« Victorias Nägel gruben Halbmonde in sein Fleisch … er zuckte nicht, sein Fleisch verwandelte sich in Marmor, während ihres vor Verlangen schrie. »… fielen Sonnenstrahlen für … für eine halbe Stunde auf den Boden … und er … und er saß in der Sonne … und sagte, er sei draußen gewesen.«
    Gabriels Kindheitsträume leuchteten in seinem Gesicht. Wie oft hatte er sich vorgemacht, zu besitzen, was vorbeigehende Kinder hatten – Schuhe, Kleider, die Ellbogen und Knie bedeckten …
    Wie lange konnte Victoria sich noch auf eine Geschichte konzentrierte, die sie seit dreiundzwanzig Jahren nicht mehr gehört hatte, statt sich dem prallen Fleisch hinzugeben, das jedes Mal, wenn sie atmete, jedes Mal, wenn sie sprach, in ihren Schoß stieß und über ihren Kitzler glitt?
    »Eines Tages brachte ein … Nachbarjunge ihm ein paar … ein paar Feldblumen. Eine davon … hatte eine … eine Wurzel. Er pflanzte die Blume ein und sie wuchs.«
    Sie hatte überlebt, wie Gabriel überlebt hatte.
    Aber wer war der Mann, der seinen Wert immer noch nicht erkannte?
    Gierig umklammerte Victorias Körper Gabriel, während sie sich bemühte, die Engelsgeschichte weiter zu erzählen. »Jedes Jahr blühte …« Sie atmete heftiger. »… die Blume. So hatte der Junge … seinen eigenen Blumengarten. Er träumte von … seiner Blume. Bei der Blume … suchte er Trost … selbst als er … selbst als er starb. Aber als der … der Junge gestorben war … war niemandda … der sich um seine Blume kümmerte. Und sie wurde … weggeworfen.«
    Zum Abfall .
    »Und deshalb sagte der Engel …« Victoria spürte, wie ihr Körper anschwoll. »… sie würden die Blume mit in den … den Himmel nehmen … weil sie mehr wahre Freude geschenkt hatte, sagte der Engel, als die meisten … die meisten schönen Blumen im … im Garten einer Königin.«
    Victoria hatte viele Gärten gesehen, mit Blumenbeeten, die in eleganten Mustern blühten. Keine von ihnen hatte je Freude geschenkt.
    »›Aber woher weißt du das alles?‹, fragte das Kind‹«. Victorias Stimme wurde lauter. »›Ich weiß es‹, sagte der Engel, ›denn ich selbst war … der Junge, der auf Krücken ging, und ich kenne meine eigene Blume gut.‹«
    Plötzlich konzentrierte Gabriel sich auf Victoria statt auf die Vergangenheit. »Und wer bin ich, Victoria? Der Junge, der gestorben ist, oder der Engel, der ihn trägt?«
    Victoria rang um Beherrschung, gewann. »Der Engel, Gabriel.«
    Gabriels Gesicht krampfte sich zusammen, Marmor splitterte in Fleisch. »Warum?«
    »Dein Haus ist dein Garten, Gabriel. Du nimmst zerbrochene Menschen auf und schenkst ihnen neues Leben.« Victoria erinnerte sich an die ältere Frau und den jüngeren Mann, die ihre Leidenschaft geteilt hatten; sie erinnerte sich an Julien, der das Haus Gabriel verteidigt hatte. »Erfreue dich deines Gartens.«
    Ein harscher, erstickter Laut drang aus Gabriels Kehle – er warf den Kopf zurück, schloss die Augen, die dunklen Wimpern wie Stacheln. Victoria machte nicht den Fehler, die klare Flüssigkeit, die ihm über die Wangen rann, für Schweiß zu halten. Es waren die Tränen eines Engels.
    Stumm kam Gabriel zum Höhepunkt, grub sich tiefer in ihre Hüften, zog sie an sich, bis Victorias Gesicht an seinen Hals gepresst war und sie ihre Arme nur noch um seine Schultern schlingen konnte. Sie hielt ihn fest. Teilte seine Tränen. Und dann teilte sie seinen Höhepunkt.

Kapitel 26
    Die weiß lackierte Tür schwang auf. Gabriel erstarrte, die rechte Hand zum Messingtürklopfer erhoben. Kraftloses Sonnenlicht verwandelte braune Augen in Bernstein. In ihren spiegelnden Tiefen lag keinerlei Gefühl.
    Diese Augen würde Gabriel überall erkennen: Es waren die Augen der Kälte und des Hungers.
    Hinter ihnen wurde das hallende Geklapper von vier Pferdehufen auf Kopfsteinpflaster laut.
    »Monsieur Gabriel.« Der Butler trat zurück; silberne Strähnen zogen sich durch sein dichtes braunes Haar. Er neigte den Kopf. »Mademoiselle Childers.«
    Instinktiv suchte Gabriel Victorias Kreuz; seine Lederhandschuhe und ihre Kleidung versperrten ihm den Weg zu ihrem Fleisch, aber nicht zum heilsamen Trost der Berührung. Er kämpfte gegen den Drang an, kehrtzumachen und der abfahrenden Kutsche nachzurufen; stattdessen schob
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