Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust
Autoren: Robin Schone
Vom Netzwerk:
wir wussten, dass es Ärger gibt. Sie kommen am besten mit mir. Sie sehen nicht gut aus.«
    »Mir …« Victoria biss sich auf die Lippe. »Mir geht es gut, danke.«
    Victoria fragte sich, ob jemals alles wieder gut würde.
    Würde es Michael gut gehen?
    Würde es Gabriel gut gehen?
    »Ist er tot?«
    Victoria drehte sich der Magen um bei der Blutrünstigkeit in den Augen der Frau, die plötzlich klar und hell waren. »Verzeihung?«
    »Der Mann, den Mr. Gabriel töten musste – ist er tot?«
    »Ja.« Genugtuung lag in Victorias Ton. »Mr. Michael hat ihn getötet.«
    »Wer einen nimmt, muss beide nehmen.« Miras saphirblaueAugen waren unnatürlich schlau. »Sie dürfen über Mr. Michels Narben nicht die Nase rümpfen.«
    Victoria bezwang ein nervöses, hysterisches Kichern.
    Sofort hatte sie Julien vor Augen, sein schönes kastanienbraunes Haar, das im grellen Licht oben auf dem Flur glänzte, während sein Blut auf der Treppe schwarz gerann.
    Das Bedürfnis zu lachen erstarb. »Ich versichere Ihnen, Miss Mira, ich rümpfe nicht die Nase über Mr. Michael.«
    Mira knurrte. »Dann setzen Sie sich am besten mal hin und warten, bis Mr. Gabriel sich um alles kümmert.«
    »Es tut mir so Leid, dass Julien tot ist.« Victoria unterdrückte ein Würgen. »Ich habe ihn gemocht.«
    Miras Miene wurde weicher. »Ja, wir haben Mr. Jules alle gemocht. Setzen Sie sich, bevor Sie noch umfallen, Miss Victoria. Sie sehen nicht gerade quicklebendig aus. Ich gebe Ihnen einen Schluck Gin.«
    Victoria setzte sich und wartete benommen.
    Drei Leben waren heute Nacht verloschen. Wie viele waren schon vorher wegen des Earl of Granville und seines Sohnes gestorben?
    Sie versuchte, sich einzureden, dass die beiden geisteskrank waren.
    In den violettblauen Augen des Mannes, der bewusst zwei Engel gegeneinander ausgespielt hatte, hatte nichts Geisteskrankes gelegen.
    Brennender Schmerz durchschnitt Victorias Wange. Sie warf den Kopf zurück, ihr Herzschlag sprengte fast ihren Brustkorb.
    Saphirblaue Augen schauten auf Victoria herab. Mira hielt einen Waschlappen mit roten Flecken in der Hand. »Halten Sie still. Mr. Gabriel wäre es gar nicht recht, wenn wir uns nicht um seine Frau kümmern würden.«
    »Ich heiße Victoria«, sagte Victoria hastig. »Victoria Childers.«
    Das Dienstmädchen mit dem faltigen Gesicht und den alterslosen Augen erkannte den Namen Childers nicht. Wieso sollte sie auch?
    Childers war ein verbreiteter Name.
    Erst wenn ihm ein »Mr.«, ein »Sir«, ein »Honorable« oder ein »Lord« voranging, nahm er eine gewisse Bedeutung an.
    Ich heiße Gabriel , hallte es in ihren Ohren wider.
    Gabriel hatte nie vorgetäuscht etwas anderes zu sein als das, was er war. Und Michael hatte seinen Anspruch auf die Welt, in die er hineingeboren war, aufgegeben.
    »Im Haus Gabriel brauchen Sie keinen Nachnamen.« Mira tauchte den Waschlappen ins Wasser; Dampf stieg aus der grauen Metallschüssel. »Die meisten von uns haben gar keinen.«
    Mira war ein ungewöhnlicher Name für eine Frau, die auf der Straße geboren war. Hatte sie sich selbst so genannt?
    »Der Schnitt auf Ihrer Wange ist nicht tief, der braucht nicht genäht werden.« Wasser plätscherte in die Metallschüssel. Mira hielt ihr den Waschlappen hin. »So, Miss, waschen Sie sich die Hände; ich tupfe Ihnen was auf die Backe, damit es nicht eitert.«
    Mira tauchte ihre Finger in das hohe Glas mit Gin und tupfte die klare Flüssigkeit auf ihre Wange.
    Victoria unterdrückte ein Stöhnen und konzentrierte sich darauf, das Blut von ihren Händen zu waschen, statt auf den Schmerz, der ihr durch Mark und Bein ging.
    Der Gin brannte wesentlich schlimmer als die eigentliche Wunde.
    »Jetzt trinken Sie mal Ihren Gin.« Mira nahm Victoria den Waschlappen aus der Hand. Das Wasser in der grauen Metallschüssel färbte sich blutrot. »Ich muss Wasser für Mr. Michael und den Arzt heiß machen.«
    Die Kerzen brannten flackernd, während Victoria allein wartete, das Glas Gin unberührt vor sich. Eine Ewigkeit verging, bis Andy wiederkam; ein kleiner, dünner Mann in schwarzem Wollmantel, schwarzem Bowler und mit einer schwarzen Ledertasche kam hinter ihm her.
    Der docteur .
    Er verschwand durch die Tür, die zu Gabriels Suite führte; Andy schlich sich in Victorias Nähe und schaute sie mit jungen alten Augen an. Er deutete auf das Glas Gin. »Trinken Sie das noch?«
    »Nein.« Benommen schob Victoria ihm das Glas hinüber. Wenn Gin den Schmerz äußerer Wunden verschlimmerte, wollte sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher