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Abgeschaltet

Abgeschaltet

Titel: Abgeschaltet
Autoren: Johannes Winterhagen
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Kilowatt also. Und dass 2050 zehn Milliarden Menschen den Planeten Erde bevölkern, die alle drei Kilowatt benötigen. Dann beträgt die durchschnittliche Weltenergienachfrage 30 Milliarden Kilowatt oder 30000 Gigawatt – die sind der bessere Maßstab, weil der Block eines modernen Kohlkraftwerks bis zu einem Gigawatt leistet. 30000 Kohlewerksblöcke, das wäre eine ganze Menge, verglichen mit den rund 7000, die weltweit am Netz sind. Außerdem benötigt man die Energie ja nicht nur in Form von Strom, sondern auch als Wärme und als Treibstoff. Hasinger rechnet mit 12000 Gigawatt, die in Form von Strom zur Verfügung stehen müssten. Also nur 12000 Kohlekraftwerke? Ersetzen wir das Kohlekraftwerk versuchsweise durch Windkraftanlagen. Nicht irgendwelche, sondern die leistungsstärksten, die heute auf dem Markt sind: Sie leisten in der Spitze bis   zu 5 Megawatt, man braucht demnach 200 Windkraftanlagen, um den Block eines Kohlekraftwerks zu ersetzen. Also stellen wir 2,4 Millionen Windkraftanlagen auf, und zumindest für die Stromerzeugung ist das Problem gelöst.
    Oder doch nicht? Zum einen ist die durchschnittliche Leistung bei einer Windkraftanlage – wie auch bei allen Formen von Solarenergie – nicht identisch mit der Spitzenleistung. Mal weht der Wind zu schwach, manchmal auch so stark, dass man die Rotoren aus dem Wind nehmen muss, um sie vor Beschädigung zu schützen, wie man es mit Segeln bei einem Orkan tut. Die durchschnittliche Leistung liegt also eher bei einem Viertel, was bedeutet, dass wir vorsichtshalber zehn Millionen Windkraftanlagen aufstellen. (In der Realität liefern die heutigen deutschen Windkraftanlagen im Jahr 2010 durchschnittlich 16,3 Prozent ihrer Nennleistung.) Und dann ist da noch der Faktor Zeit: Bis 2050 sind es ungefähr 38 Jahre oder knapp 14000 Tage. Um zehn Millionen Windkraftanlagen aufzustellen, müssen wir uns also ziemlich beeilen und im Schnitt gut 700 Anlagen pro Tag hochziehen.
    Nun kommt niemand auf eine so absurde Idee, den kompletten Strom nur aus Windkraft zu beziehen. Außerdem wird es in den kommenden Jahrzehnten natürlich technische Fortschritte geben. Aber es hilft, sich vor Augen zu führen, wie groß der Handlungsbedarf selbst dann ist, wenn wir uns eine strenge Energiediät verordnen.
WARUM ENERGIESPAREN TROTZDEM SINNVOLL IST
    Nahezu alle Ideen, neue Energiequellen zu erschließen, kosten mehr Geld als die heutigen Verfahren, die ganz überwiegend auf fossilen Energieträgern basieren. Und selbst wenn wir uns an einen Ölpreis von 100 und mehr Dollar pro Barrel Rohöl gewöhnen: Öl, Gas und Kohle sind billig, und es wird lange dauern, bis tatsächlich eine Verknappung eintreten wird.
    Energiesparen kostet auch Geld, aber die Amortisationszeit, etwa für die verbesserte Wärmedämmung eines alten Hauses, führt meist nach wenigen Jahren zu einer positiven Bilanz. Allein in Deutschland, so eine Gemeinschaftsstudie von E.ON mit dem Wuppertal Institut für Klima, Energie, Umwelt, könnten 120 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich wirtschaftlich vermieden werden. Das heißt, dass die Mehrkosten für energiesparende Produkte im Lauf der Lebenszeit wieder hereingeholt würden. 120 Millionen Tonnen CO 2 , das entspricht etwa der Menge, die acht Millionen Pkw pro Jahr emittieren.
    Das ersparte Geld kann man aufs Konto legen, verkonsumieren oder dazu nutzen, die höheren Kosten erneuerbarer Energien zu finanzieren. So argumentiert zumindest Professor Peter Hennicke, langjähriger Leiter des Wuppertal Instituts. Er hält es sogar für zwingend notwendig, alle Einsparpotenziale zu nutzen, um damit erneuerbare Energien »wirtschafts- und sozialverträglich« zu machen. Nur durchs Sparen können engagierte Klimaschutzziele und der Ausstieg aus der Atomenergie gleichzeitig bewältigt werden.
    Eine einfache Modellrechnung von Professor Klaus Lackner, Columbia-Universität, zeigt, wie groß das Potenzial des Sparens ist: Wächst die Wirtschaft, gemessen am Bruttosozialprodukt bis zum Jahr 2100 um 1,6 Prozent pro Jahr, dann vierfacht sich der Energieverbrauch bei konstantem Energieeinsatz je produzierter Einheit. Schaffen wir es aber, die Energieeffizienz nur ein wenig mehr zu steigern als die Wirtschaftsleistung, nämlich um zwei Prozent pro Jahr, dann steigt der Energieverbrauch bis zum Ende des Jahrhunderts nur um den Faktor zwei. Allerdings ist Lackner, wie viele Wissenschaftler, denen ich bei meiner Recherche begegne, sich seines eigenen Unwissens bewusst. »Der
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