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Abgeschaltet

Abgeschaltet

Titel: Abgeschaltet
Autoren: Johannes Winterhagen
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religiös für einen ernsthaften Wissenschaftler. Der Streit zermürbte Mayer. 1848 starben überdies zwei seiner Kinder, er verfiel wohl in Depression und unternahm 1850 einen Selbstmordversuch. Erst nach einem Jahrzehnt, das er teilweise in Sanatorien verbrachte, nahm er seine wissenschaftliche Tätigkeit wieder auf. Ermutigt von der inzwischen gewachsenen Reputation, dehnte er den Gedanken der Energieerhaltung auf das gesamte Universum aus und erkannte, dass auch die Sonnenergie nicht unendlich zur Verfügung steht. Der Sonne fehle schlicht der Nachschub an chemischer Energie. Glücklicherweise, so wissen wir mittlerweile, reicht ihr Wasserstoffvorrat aber noch für einige Milliarden Jahre.
MEIN SOHN FRAGT NACH ENTROPIE
    Wer sich heute in Heilbronn auf die Suche nach Spuren von Julius Robert von Mayer begibt, der staunt. Zwar wird Mayer in den Werbebroschüren der Touristikinformation als der »berühmteste Sohn der Stadt« bezeichnet. Doch gepflegt wird sein Erbe nicht. In der Touristikinformation werde ich auf ein Brunnendenkmal auf dem Marktplatz verwiesen. Geburts- oder Wohnhaus? Fehlanzeige. Ein Gymnasium immerhin trägt seinen Namen.
    Mit meinen beiden großen Söhnen, zehn und zwölf Jahre alt, schaue ich mir den Brunnen an. Mayer sitzt über uns auf einem Stuhl, die Beine übereinandergeschlagen, ein Buch in der Hand, den Blick in die Ferne gerichtet. Ein gestandener Mann, ein Gelehrter, zum Diskurs jederzeit bereit. Zwei Figuren zu seinen Füßen, dieWärme und Kraft darstellen sollen. Der Brunnenrand ist so breit, dass zwei kleine Kinder sich einen Spaß daraus machen, darauf zu balancieren. Ungebändigte Energie.
    Rasch ziehen wir weiter zum »experimenta«, einem erst 2009 eröffneten Technik- und Erfahrungsmuseum für Kinder und Jugendliche. Der erste Stock ist den verschiedenen Formen der Energieerzeugung gewidmet, meine Söhne experimentieren begeistert. Zum Beispiel mit einer Miniaturwindkraftanlage, bei der man mit verschieden geformten Rotorblättern ausprobieren kann, wie schnell sie sich bei immer gleich bleibender Anströmung drehen. Sie schalten Straßenbeleuchtungen auf einer Wandtafel und lernen so den Unterschied zwischen einer Reihen- und einer Parallelschaltung. Drei Stockwerke höher und fünf Stunden später muss ich sie ermahnen, endlich aufzubrechen.
    Auf dem Weg zum Parkhaus rennt Carl, mein Ältester, ein Stück, bleibt stehen und fragt: »Papa, wenn ich jetzt so renne, dann ist das ja Energie. Und wenn es nur eine Energie gibt, wo bleibt die dann?« Das ist rasch erklärt, denn er schwitzt sehr in seiner Winterjacke. Dann jedoch kommt die Frage, vor der ich mich immer gefürchtet habe: »Kann man denn die Wärme wieder zurückverwandeln in Bewegung?« Jetzt ist der Zeitpunkt, um Entropie zu erklären, möglichst ohne das sperrige Wort zu verwenden. Für dieses Buch benötigen wir es ebenfalls, denn könnte man die Wärme, die als Abwärme in technischen Prozessen stets entsteht, ohne größere Umstände wieder in mechanische oder elektrische Energie zurückverwandeln, dann müssten wir uns um die Zukunft unserer Energieversorgung ebenfalls keine Sorge machen.
EINE GUTE UND EINE SCHLECHTE NACHRICHT
    Wärme lässt sich natürlich in mechanische Energie verwandeln. Das ist die gute Nachricht. Sonst würde ja die Lokomotive von Jim Knopf und Lukas auch mit Kohlebefeuerung nicht funktionieren. Allerdings gibt es keinen Wärmeumwandlungsprozess mit einem Wirkungsgrad von 100 Prozent, und das ist die schlechte Nachricht. Anders formuliert: Entweder muss ich zusätzliche Energie aufwenden, um eine Menge X an Wärme vollständig in eine andere Energieform zu bringen. Oder ich nehme gewisse Verluste in Kauf. Physiker sagen einfach: Es gibt kein Perpetuum mobile zweiter Ordnung – und nennen das den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.
    Aber warum ist das so? Und was ist Wärme überhaupt? Wenn wir uns in der Physik vor Einstein und Planck bewegen, also vorerst annehmen, dass Atome und Moleküle (Baugruppen von Atomen) die kleinsten Bausteine der Welt sind, dann äußert sich Wärme in der Geschwindigkeit, mit der sich diese Moleküle im Raum bewegen. Wenn sich die Bausteine, wie im Fall des Stuhls, auf dem Sie gerade sitzen, nicht bewegen können, dann schwingen sie schneller hin und her. Vernachlässigen wir diesen Fall und gehen davon aus, dass sich die Luft in Ihrem Wohnzimmer erwärmt. Je wärmer es wird, desto schneller flitzen die Gasteilchen hin und her und desto
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