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Abgebrezelt

Abgebrezelt

Titel: Abgebrezelt
Autoren: Nina Schmidt
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ja am Samstag! Und ich sag auch noch ein paar Leuten Bescheid … Tschüssi, Jessica! »
    Dann entschwindet Madame Simone aus dem Waschraum und hinterlässt eine intensive Chanel-No5-Duftnote. Eigentlich will ich ja nicht, dass Simone noch ein paar Leuten Bescheid sagt, aber was soll’s! Ich bin nicht in der Stimmung, kleinlich zu sein.
    Als ich zurück an die Bar komme, unterhalten sich Julia und Christian angeregt. Sie haben gar nicht gemerkt, dass ich so lange auf dem Klo war, und unterbrechen ihr Gespräch auch nicht, als ich mich auf meinen Barhocker hieve. Christian erzählt Julia gerade eine Geschichte von seinem Sohn, als die beiden gemeinsam in Italien waren. Ich winke währenddessen unseren Barmann heran.
    »Noch so ’ne Runde bitte! Und könnten Sie für meinen Mojito Süßstoff statt braunen Zucker nehmen?«
    Julia und Christian, die mitbekommen haben, was ich bestellt habe, schauen mich mindestens genauso entgeistert an wie der Barmann.
    »Hab ich euch eigentlich schon gesagt, dass ich meinen Geburtstag jetzt doch feiere?«

ZWEIUNDDREISSIG  Froschgesicht
    Am nächsten Abend hänge ich die weiße Tunika in Größe 36, die neue Jeans, die mir zwei Nummern zu klein ist, und ein T-Shirt in S, in dem ich im Moment noch aussehe wie eine Mettwurst im Darm, außen an den Kleiderschrank, als Mahnmal gegen überflüssige Fettpolster. Ich habe es mir gerade vor dem Fernseher bequem gemacht habe, da klingelt mein Handy. Auf dem Display erscheint ArschStümper. Ich drücke den grünen Hörer und melde mich ziemlich unfreundlich mit einem knappen »Ja?!?«.
    »Hallo, Jessica, Roland hier!«
    »Was willst du?«, frage ich ihn barsch.
    »Jessica, hör zu, ich habe mit ein paar Kollegen gesprochen und vielleicht gibt es noch eine Möglichkeit, die Heilung der Ptosis voranzutreiben. Einige haben mit Phenylephrin-Augentropfen gute Ergebnisse erzielt.«
    »Augentropfen? Von dir? Werd ich dann blind oder bekomme ich einfach nur Froschaugen?«
    »Ach Jessica, jetzt mach es mir nicht so schwer, ich möchte dir wirklich gerne helfen. Die Geschichte geht mir doch auch nahe.«
    Ich bin ehrlich überrascht. Das sind ja mal ganz neue Töne. Ihm geht das nahe! Der arme Kerl.
    »Also gut, du willst mir helfen! Wie genau hast du dir das vorgestellt?«
    »Komm doch einfach in meine Praxis. Anja macht einen Termin mit dir aus, gerne direkt morgen früh, und wir probieren das mit den Augentropfen. Da kann nichts schiefgehen.«
    »Sorry, aber ich setze keinen Fuß mehr in deine Praxis, und deinen Sprechstundendrachen mag ich schon gar nicht mehr sehen.«
    »Sprechstundendrachen? Meinst du Anja?«
    »Wenn der Hungerhaken hinter dem Bonbon-Tresen Anja heißt, dann mein ich sie. Wenn du mir wirklich helfen willst, dann komm zu mir. Und zwar jetzt gleich.«
    »Jetzt? Aber ich bin gar nicht mehr in der Praxis … «
    »Jetzt gleich, Roland.«
    »Aber ich müsste dann noch mal zurück –«
    »Es schreibt sich mit J wie Jahrhundertpfuscher, dann E wie Eiterbeule, T wie Taugenichts, Z wie Zyklopenspritzer und noch mal T wie … hilf mir mal!«
    Er gibt einen Stoßseufzer von sich. »Schon verstanden. Ich bin in einer Dreiviertelstunde bei dir.«
    »In Ordnung. Dann bis gleich!«
    Na also! Zufrieden gehe ich ins Schlafzimmer und ziehe mein Bankräubertuch über, von dem ich eigentlich gehofft habe, es nie wieder zu brauchen. Die Baseballkappe hängt an der Garderobe, die Sonnenbrille liegt auf dem kleinen Tischchen im Flur. Nur gut, dass ich nicht dem Impuls nachgegeben habe, alles wegzuschmeißen. Es fällt mir nicht leicht, die Sachen, die mich in dieser harten Zeit begleitet haben, noch mal anzuziehen, aber um Roland eins auszuwischen tue ich es dann doch ganz gerne. Während ich warte, logge ich mich bei eBay ein. Meine Kommoden-Auktion müsste genau jetzt beendet sein. Tatsächlich. Für 380 Euro an »Krümelmonster« versteigert. »Krümelmonster«?!? Was ist denn das für ein bekloppter Alias? Nicht dass ich die Kommode meiner geliebten Oma an einen infantilen Vollidioten verkauft habe, der auf das schöne Stück die farbenfrohen Köpfe von Ernie, Bert und Bibo schmieren wird.
    Aber leider ist es unmöglich, so einen Deal rückgängig zu machen, und außerdem brauche ich das Geld. Nachdem ich meinen Laptop missmutig wieder zugeklappt habe, klingelt Roland an meiner Tür. Ich öffne ihm in voller Matschaugen-Montur. Er trägt Jeans, eine sportliche dunkelblaue Jacke, und in der Hand hat er eine schwarze Arzttasche. Ich bitte ihn rein,
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