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Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Titel: Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Wolfgang Brenner
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hinaus. Sie suchte den Rastplatz ab.
    Lore war nirgendwo zu sehen. Marie schaute in die Wasch- und Toilettenräume der Frauen.
    Sie ging zurück zum Gastraum. Doch auch dort war Lore nicht.
    Dann sah sie sie. Sie saß zusammengesunken auf einer Treppe in der hintersten Ecke des Rasthofes. Marie nahm an, dass sie jetzt erst zu verstehen begann, was mit ihrem Sohn geschehen war. Sie setzte sich neben Lore auf die Treppenstufe. »Was hast du?«
    Lore putzte sich die Nase. Sie konnte kaum sprechen. »Ich habe bei meinen Eltern angerufen.«
    »Und? Ist Tom da aufgekreuzt?«
    Lore schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Meine Mutter hat mich beschimpft.«
    »Beschimpft?« Weil sie sich so lange nicht gemeldet hat, vermutete Marie.
    »Sie hat mir Vorwürfe gemacht. Weil ich Tom im Stich gelassen habe. Weil ich ihm einfach den Jungen überlassen habe und mit einem anderen Mann abgehauen bin. Stell dir das vor: Wegen einem anderen Mann hätte ich mein Kind im Stich gelassen. So etwas glauben die von mir.« Sie begann zu heulen. »Wie kommen die bloß auf so was?«
    »Das weißt du nicht?«, fragte Marie. Sie hätte schreien können vor Freude. »Ich kann es dir sagen.«
    17
    Marie musste nur einen kurzen Blick auf die Karte werfen. Dann raste sie bis zur nächsten Abfahrt, verließ die Autobahn, bekam einen Wutanfall, weil sie die Auffahrt nicht gleich fand, musste durch ein gottverlassenes Dorf mit grauen Häusern, deren Fensterläden alle geschlossen waren, entdeckte dann doch ein blaues Hinweisschild und war heilfroh, nach dem nächsten Autobahnkreuz endlich in Richtung Osten zu fahren.
    Sie sprachen stundenlang kein Wort. Lore suchte einen Dudelsender im Autoradio, den man leise stellen konnte und der dennoch alle halbe Stunde Verkehrsmeldungen brachte.
    Es gab einen L kw-Unfall. Am Hermsdorfer Kreuz. Marie wollte ihn erst umfahren. Da ihn der MDR aber schon eine Stunde vorher meldete und der Stau auch in dieser Zeit nicht länger wurde, riskierte sie es und blieb auf der Autobahn.
    Marie musste scharf bremsen, als hinter einer lang gezogenen Kurve plötzlich Wagen auftauchten, deren Warnblinkanlagen eingeschaltet waren. Lore stützte sich am Armaturenbrett ab. Marie kam mit quietschenden Reifen zum Stehen. Sie sah, dass die Insassen des Pkw vor ihr sich erschrocken umdrehten.
    »Willst du uns umbringen?!«, fuhr Lore sie an und strich sich nervös die Haare aus dem Gesicht. Hinter ihnen kreischten die Bremsen der nächsten Fahrzeuge, die vom Stau überrascht wurden.
    Offensichtlich ging nichts mehr. Einzelne Fahrer stiegen aus. Jemand telefonierte mit seinem Handy und berichtete dann, dass mehrere P kw in die verunglückten L kw gerast waren und der Stau immer länger wurde.
    »Verdammt! Hätten wir nur eine andere Strecke genommen«, ärgerte sich Marie.
    Es war nicht mehr weit bis Chemnitz – bis zu Tom und dem Jungen. Und dann hielt sie ausgerechnet ein Stau auf, den sie hätte umfahren können.
    Marie war todmüde und wurde immer nervöser. Ihre Atmung spielte verrückt. Sie schloss die Augen und versuchte sich zu beruhigen.
    Nach über zwei Stunden sprangen die Fahrer in ihre Autos. Der Stau kam in Bewegung.
    Doch dann standen sie wieder. Marie stieg aus, um besser sehen zu können. Die Stille auf der Autobahn sagte ihr, dass es noch sehr lange dauern würde.
    Es wurden noch drei Stunden. Dann konnte Marie wieder Gas geben. Ihre Anspannung legte sich. Sie warf einen verstohlenen Blick auf ihre Beifahrerin.
    Lore hatte sich ausgestreckt, die wie zum Beten gefalteten Hände zwischen den Knien. Ihr Kopf lehnte an der Nackenstütze, sie schaute zum Fenster hinaus, wirkte abwesend.
    »Erzähl mir was von deinen Eltern!«
    Obwohl sie Lores Gesicht nicht anblickte, wusste Marie, dass sie die Augen geschlossen hatte.
    Marie schaltete in den höchsten Gang. Sie beugte sich zu Lore hinüber und schlug ihr mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. »Hörst du nicht?«
    Lore erschrak. Sie zog sich zusammen wie ein Insekt.
    »Du sollst mir was von deinen Eltern erzählen!«
    Lore ließ die Luft aus ihren Lungen. »Warum das denn?« Sie war genervt.
    »Damit ich weiß, was mich erwartet. In Chemnitz.«
    Lore seufzte. Dann begann sie: »Meine Eltern sind eigentlich ganz normale Leute. Keine Prolls oder so. Falls du das glaubst.«
    »Glaube ich gar nicht«, beteuerte Marie.
    Lore atmete tief ein. »Mein Vater war Lehrer. Meine Mutter freie Mitarbeiterin in einem Schulbuchverlag. Sie hatten ihr Auskommen. Uns – also mir und
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