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Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Titel: Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Wolfgang Brenner
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gesehen hatte. Kalt und bitter. Aber dann stand er auf und nahm seine Hose und ging hinaus. Ich legte mich zu Kevin. Der Junge schlief immer noch tief. Auch als ich ihm vorsichtig die Hose wieder hochzog, wachte er nicht auf.« Sie lachte kehlig. »Mein Junge hat einen guten Schlaf.«
    »Warum bist du nicht zur Polizei gegangen?«
    »Tom hatte Kevin ja noch nichts getan«, antwortete Lore leise.
    »Nichts getan?!«, schrie Marie sie an. »Was hat denn noch gefehlt?«
    Lore erschrak. »Es war doch mitten in der Nacht. Vielleicht hätte ich es am nächsten Morgen getan, wenn … Irgendwann bin ich auch wieder eingeschlafen. Neben Kevin.«
    Marie war verärgert, dass Lore nicht ernsthaft auf ihre Frage einging. Aber sie ließ sie weiterreden.
    »Gegen Morgen wachte Kevin plötzlich auf und hustete. Ich deckte ihn zu. Kevin sagte, er müsse pinkeln. Ich wollte mit ihm gehen. Aber er sagte: Bleib liegen, Mama!«
    »Du hast ihn allein gehen lassen?«
    »Jungen in seinem Alter gehen immer allein aufs Klo«, antwortete Lore und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Ich wartete. Ich hielt den Atem an und wartete auf Kevin. Doch er kam nicht wieder. Ich wartete auf die Klospülung. Sie wurde nicht betätigt. Irgendwann stand ich auf und ging ins Bad. Nichts. Ich ging in die Küche. Dort brannte Licht. Doch Kevin war auch nicht in der Küche. Ich lief in das Schlafzimmer von Tom und mir. Unser Bett war leer. Ich schaute in die Schränke. Stell dir das mal vor: in die Schränke!«
    Lore lachte, als ginge es um eine absurde Wendung.
    »Dann drehte sich der Schlüssel in der Tür. Ich war eingeschlossen. Ich hörte Tom. Er lachte und sagte etwas zu Kevin. Auch Kevin lachte. Aber nicht so, wie Tom lachte. Ich schrie: Lass mich raus! Kevin sagte etwas. Er klang besorgt. Tom schrie. Dann war es still im Haus. Ich öffnete das Fenster. Ich überlegte, ob ich aus dem Fenster steigen sollte. Dann heulte ein Motor auf. Toms Wagen schoss aus dem Hof. Als er den Vorwärtsgang einlegte, stand der Wagen für eine Sekunde. Ich sah Kevins Gesicht hinter der Scheibe. Nur ganz kurz. Er weinte.«
    »Und? Was hast du getan? Hast du den Jungen vermisst gemeldet?«, bedrängte Marie sie nun.
    Lores Stimme war kaum hörbar. »Ich dachte, er kommt zurück. Deshalb habe ich gewartet. Tagelang habe ich nur dagesessen und gewartet. Immer wieder habe ich Toms Handynummer angerufen. Aber da lief nur die Mailbox. Ich habe nichts gegessen und nicht geschlafen. Aber er kam nicht.« Sie weinte.
    Marie beschloss, sie in Ruhe zu lassen. Erst mal.
    Es war kalt im Auto, und sie hatten keine Decken dabei. Lore trug ihren Trenchcoat, Marie die Weste. Die ganze Nacht über rollten Trucks an ihnen vorbei. Ständig waren Stimmen zu hören. Lore schnaufte im Schlaf wie bei einer harten körperlichen Arbeit.
    Marie war zuerst wach. Sie zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und ging in den Rasthof, um sich aufzuwärmen und zu waschen.
    Als sie zum Wagen zurückkam, saß Lore aufrecht auf dem Beifahrersitz. »Guten Morgen«, sagte sie, als Marie einstieg. Sie sah ausgeschlafen aus.
    »Willst du dich nicht mal melden?«
    »Wo denn?« Lore klappte die Sonnenblende herunter, streckte sich und schaute in den Spiegel. Dann drückte sie mit beiden Zeigefingern einen Pickel auf ihrem Kinn aus.
    »Bei deinen Eltern.«
    »Bei denen? Warum denn?«
    »Du könntest Ihnen sagen, dass es dir gut geht.«
    Lore klappte die Sonnenblende wieder hoch. »Mir geht’s aber nicht gut.«
    »Vielleicht ist Tom bei ihnen untergekrochen – mit Kevin.«
    Lore lachte heiser auf. »Bei meinen Eltern? Das würde der nie tun.«
    Lore ging sich waschen. Marie überlegte, ob sie warten oder vorher allein einen Kaffee trinken solle. Schließlich stieg sie aus, schloss den Wagen ab und ging in den Rasthof.
    Obwohl es erst kurz nach acht Uhr war, roch es schon nach Kantinenessen. Überall saßen Männer, die Bier tranken. Auch eine Frau trank Bier.
    Marie suchte sich einen Platz an einem Tisch in der Ecke. Sie bestellte ein Kännchen Kaffee und vertiefte sich dann in die Karte. Das Kännchen kam. Die Bedienung sah übernächtigt aus und wollte sofort kassieren. Marie zahlte. Sie trank langsam den heißen Kaffee. Sie schaute hinaus. Von ihrem Platz aus konnte sie den Wagen sehen. Lore war noch nicht zurück. Wo blieb sie so lange?
    Marie streifte durch den Rasthof. Je später es wurde, desto mehr Leute strömten herein. Jetzt waren es viele Familien. Die Kinder waren verschlafen und quengelten.
    Marie trat
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