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Aber dann kam der Sommer

Aber dann kam der Sommer

Titel: Aber dann kam der Sommer
Autoren: Berte Bratt
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großer Schürze und aufgekrempelten Ärmeln. Es stand auf der obersten Treppenstufe und knickste, als ich aus dem Auto stieg.
    „Guten Tag und willkommen, gnädiges Fräulein!“
    Sie sprach einen ländlichen Dialekt, und ihr Mund lächelte mit weißen, kräftigen Zähnen. Und dann reichte sie mir die Hand, eine gute, starke Hand, rauh vom Abwaschen und Scheuern. Meine Hand war auch rauh. Es war, als verstünden sie einander, diese beiden Hände, die sich in einem festen Druck trafen und sich dabei von der Hausarbeit und ihren Freuden und Leiden erzählten.
    Nettes Stubenmädel! dachte ich.
    Doch es war nur das Küchenmädchen. Die gnädige Frau habe gerade geläutet und das Stubenmädchen in Anspruch genommen, erklärte mir die kleine Blondgelockte. „Darum bin ich’s bloß, die Sie begrüßt.“
    Sie ging vor mir her durch eine große Halle, die mit Eichenholz getäfelt und mit Gemälden geschmückt war. Über eine breite Treppe kamen wir in einen langen, geräumigen Flur. Hier blieb die Kleine einen Augenblick vor einer Tür stehen, wandte sich zu mir und flüsterte:
    „Das ist das Zimmer der gnädigen Frau!“
    Dann ging sie weiter bis ans Ende des Ganges. Dort öffnete sie die letzte Tür.
    Ich blieb auf der Schwelle stehen und kniff ein paarmal die Augen zu. Das konnte doch nicht wahr sein! Nein, hier stimmte etwas nicht. So wohnte kein Mensch alltags. So etwas gab es nur in amerikanischen Filmen!
    „Du liebe Zeit!“ murmelte ich.
    Die kleine Blonde lächelte, nicht die Spur eingelernt, sondern einfach menschlich und herzlich.
    „Ja, das ist toll, was? Ich war auch ganz hin, als ich’s das erste Mal sah. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Jetzt find’ ich bloß noch, daß es recht mühsam ist, diese Pracht sauberzuhalten.“
    Empiremöbel in weiß und gold und mit kleingeblümter Seide bezogen, zwei große Fenster mit schweren, dicht gefalteten Veloursvorhängen, ein Toilettentisch mit dreiteiligem Spiegel, Garderobenschrank, Schreibtisch, Stehlampe, ein bildschöner, heller Teppich, und durch eine offene Tür sah ich – ein eigenes Badezimmer! Mit Wanne und Brause, mit Handwaschbecken und Waage und allem, was sonst noch dazugehört.
    Ich ließ mich – pardauz! – auf die Bettkante fallen. „Du liebe Zeit!“ wiederholte ich.
    „Ja, das ist das schönste der Gästezimmer“, erklärte das Mädchen, „die gnädige Frau hat gesagt, Sie sollten es haben, weil es ein eigenes Bad hat. Die gnädige Frau hat’s nämlich nicht gern, wenn jemand anders ihr Bad mitbenutzt. Es ist besser, wenn Sie eines für sich haben.“
    Ach so, deshalb!
    Draußen im Flur ging eine Tür. Gleich darauf klopfte es. Eine etwas ältere Frau in schwarzem Kleid erschien im Türrahmen. Es war das Stubenmädchen.
    „Du kannst wieder nach unten gehen, Margit“, sagte sie.
    Die kleine Blonde verschwand.
    Die andere wandte sich zu mir: „Willkommen, gnädiges Fräulein! Ich bin Louise, das Stubenmädchen. Die gnädige Frau bat mich, Ihnen zu sagen, daß um zehn Uhr gefrühstückt wird. So haben Sie Zeit, ein Bad zu nehmen, falls Sie es wünschen, gnädiges Fräulein. Währenddessen könnte ich vielleicht die Sachen des gnädigen Fräuleins auspacken.“
    Irgend etwas in mir widersetzte sich der Erscheinung dieser Louise. Erstens brauchte sie mir nicht vorzuschreiben, wann ich zu baden hätte, und zweitens wollte ich selbst bestimmen, wann ausgepackt wurde. Ich kratzte meine letzten Reste an Überlegenheit zusammen, für die ich glücklicherweise Margit gegenüber keine Verwendung gehabt hatte, und sagte: „Danke schön! Sagen Sie bitte der gnädigen Frau, daß ich um zehn Uhr unten sein werde. – Das Auspacken mache ich selbst.“
    Louise erstarrte, murmelte etwas und verschwand. Mir war, als hätte ich einen Zweikampf gewonnen.
    Ich ging auf dem weichen Teppich umher, öffnete die leeren Schubladen und Schränke, strich mit den Fingern über die Verzierungen an den Möbeln, befühlte die weiche Daunendecke im Bett – ein großes Bett, das ins Zimmer hinein- und nicht mit der Längsseite an der Wand stand wie meines zu Hause. Ich weiß mir nichts Schickeres als so ein Riesenbett mit dem Kopfende an der Wand. Eine Nachtlampe war da und eine Klingel und zwei Nachttischchen, an jeder Seite des Bettes eins, kleine, gebrechlich-zarte, weißlackierte Dinger auf Empirebeinen.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr. Oh, wenn ich noch baden und mich umziehen wollte, mußte ich mich beeilen.
    War das ein Genuß, sich ganz allein
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