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Aber dann kam der Sommer

Aber dann kam der Sommer

Titel: Aber dann kam der Sommer
Autoren: Berte Bratt
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der ganzen Liebenswürdigkeit in Szene gesetzt, wie es dem Alter und den Millionen der Tante natürlicherweise entsprach.
    „Ich höre also wieder von euch“, sagte sie und nickte Mutti zu, während sich ihr Auto in Bewegung setzte.
    Was, in aller Welt, mag das sein, worüber sie etwas hören will? dachte ich. Doch dann entdeckte ich Nora auf der anderen Straßenseite und vergaß Tante Agnete für eine Weile.
    Doch am Abend erfuhr ich es.
    „Unni“, sagte Mutti, als ich mit der Küche fertig war und ins Zimmer kam, „Tante Agnete fragte uns, ob wir dich den Winter über ihr überlassen wollten.“
    Ich glaube, ich schaute zuerst ziemlich blöde drein. „Ich? In ihr Heim? Mit drei Hausmädchen, einem Fahrer und zehn Zimmern? Ich – die nur ein einziges Sonntagsnachmittagsausgehkleid besitzt und kein Abendkleid? Nein, danke! Ich habe nicht den Ehrgeiz, als armes, bedauernswertes Aschenputtel einherzugehen. Minderwertigkeitskomplexe hab’ ich sowieso schon genug.“
    „Unni“, begann Vati im Rektorton.
    Doch Mutti strich mir übers Gesicht und sagte: „Dummchen! Wir werden dich so einkleiden, daß wir uns deiner nicht zu schämen brauchen. – überleg es dir, Unni! Hast du wirklich keine Lust? Wir dachten, du würdest dich freuen. Es könnte doch recht amüsant für dich sein, eine völlig neue Umgebung kennenzulernen. Und wer weiß, wenn du Gelegenheit hast, den Reichtum aus der Nähe zu betrachten, vielleicht verliert er dann einiges von seinem Märchenglanz. Du brauchst dich doch nicht vor Leuten zu fürchten, nur weil sie zufällig viel Geld haben!“
    Dann räusperte sich Vati, und ich bekam die ausgezeichnete Rede vorgesetzt, auf die er sich offenbar gründlich vorbereitet hatte.
    Daß ich schließlich in den Plan einwilligte, geschah nicht auf Grund dieser Rede, obwohl sie – wie alles, was Vati sagt – sowohl pädagogisch als psychologisch und logisch gut untermauert war. Vielmehr entschloß ich mich, ja zu sagen, weil mir plötzlich ein Satz ins Gedächtnis kam, den ich einmal in einem amerikanischen Film gehört hatte:
    „Reiche Leute – das sind nur arme Leute mit Geld.“

Bei uns daheim
     
     
    Tante Agnete war mit Onkel Franz verheiratet gewesen. Onkel Franz war dick, jovial und freundlich und hatte stets ein offenes Herz und eine offene Brieftasche. In seiner Jugend machte er eine sogenannte gute Partie. Tante Agnete war nämlich eine reiche Erbin – eine sehr reiche Erbin sogar. Mit Hilfe ihres Vermögens gelang es Onkel Franz, einen gut fundierten Wohlstand aufzubauen, dem weder Krieg noch Krisen etwas anhaben konnten.
    Kinder bekamen sie nicht. Ob sie glücklich waren, weiß ich nicht. Aber ich weiß, daß Tante Agnete lange und tief trauerte, als Onkel Franz starb. Sie wurde rastlos, es hielt sie nicht mehr zu Hause, und so nahm sie ihr Auto, ihren Kraftfahrer und eine unzählige Menge Koffer und ging auf Reisen. Wenn ich darüber nachdenke, so habe ich eigentlich niemals jemanden etwas besonders Gutes über Tante Agnete sagen hören – allerdings auch nichts Schlechtes.
    Nun sollte ich also mindestens einen Winter lang bei dieser Tante wohnen, die ich noch kaum kannte. Ich wußte nur, daß ich in ganz und gar neue Lebensverhältnisse kommen sollte. Ich würde mit Menschen zusammentreffen, deren Einstellung zu ihrer Umwelt anders waren als meine, deren Begriffe weitab von denen lagen, die ich von daheim gewöhnt war. Das war eigentlich spannend.
    Ich schrieb einen freundlichen Brief an Tante Agnete, bedankte mich und sagte, daß ich gern käme. Und die Antwort kam. Ich sollte also die neuvermählte Ex-Gesellschaftsdame ablösen, ihre Arbeit übernehmen (worin mochte sie wohl bestehen?) und ihren Lohn erhalten. Er lag sogar etwas höher als mein Hausangestelltenlohn zu Hause!
    Und nun stand bei uns alles auf dem Kopf – Einkaufen, Nähen und Anprobieren! Nora kam und half uns, Säume zu legen und Nähte zu säubern. Dazu gab sie gute Ratschläge, sowohl in bezug auf Kleidung als auch auf Benehmen und Konversation.
    „Eines mußt du dir vor allen Dingen merken“, sagte Nora, „wenn du irgendwann einmal im Zweifel bist, was du sagen sollst, dann sage gar nichts. Lächele verständnisvoll, fragend oder anerkennend, und du kannst sicher sein, daß du für eine intelligente junge Dame gehalten wirst. Und im übrigen brauchst du nur an mich zu schreiben, wenn dir die Probleme völlig unlösbar erscheinen sollten. Ich werde die Sache schon für dich klären.“
    „Aha, also
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